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Kampfbegriff 'Islamophobie'

Von Stephan Grigat

(In redaktionell gekürzter und bearbeiteter Fassung erschienen am 31. August 2010 im Standard)

 
Wortschöpfungen wie "Islamophobie" oder "Antiislamismus" waren stets politische Kampfbegriffe. So sehr es gute Gründe gibt, sich über eine adäquate Terminologie für die von der fremdenfeindlichen Rechten betriebene Hetze gegen Moslems Gedanken zu machen, zielten derartige Begriffe von Beginn an auf eine Immunisierung gegen Kritik. Ganz so wie der Neologismus "Iranophobie", der lange Zeit nur von Vertretern des iranischen Regimes verwendet wurde, um Kritik an der Herrschaftspraxis der Mullahs zu diskreditieren, mittlerweile aber auch im deutschsprachigen Feuilleton aufgegriffen wird, zielt der "Islamophobie"-Begriff darauf, jegliche Kritik an den unterschiedlichen Strömungen des Islam als ebenso ungerechtfertigte wie krankhafte Panikmache zu delegitimieren.
Besonders deutlich wird die Selbstimmunisierung gegenüber Kritik bei der Organisation der islamischen Konferenz, in der 57 Staaten zusammengeschlossen sind. Ginge es nach ihnen, sollen nicht Individuen, sondern der Islam als Religion zum Objekt des Menschenrechtsschutzes werden. Diese Kampfansage an einen universalistischen Freiheitsbegriff artikuliert sich unter anderem darin, jegliche Kritik an der Anwendung der Scharia als "Islamophobie" und diese als "schlimmste Form des Terrorismus" zu brandmarken.
Mittlerweile hat der Islamophobie-Begriff Karriere gemacht. Die von Gudrun Harrer im Wochenend-Standard empfohlene Literatur vermittelt einen Eindruck davon. Das hält die Redakteurin allerdings ebenso wenig wie die von ihr rezensierten "Islamophobie-Kritiker" davon ab, sich als verfolgte Spezies zu inszenieren. Wie Harrer zu behaupten, die "Islamophobie" sei heute "der einzige gesellschaftlich geduldete Rassismus", stellt einen Fall von Realitätsverweigerung dar. Wenn man allerdings die Maßstäbe des von Harrer abgefeierten Farid Hafez anlegt, der selbst noch dem grünen Bundesrat Efgani Dönmez "islamophobe Diskursstrategien" unterstellt, kann man Harrers Einschätzung vermutlich einiges abgewinnen.
Einer der wichtigsten Stichwortgeber der "Islamophobie"-Diskussion im deutschsprachigen Raum ist der auch in Wien gern gesehene und ebenfalls von Harrer empfohlene Leiter des Berliner Zentrums für Antisemitismusforschung Wolfgang Benz, der eine ganze Karriere damit zugebracht hat, den Antisemitismus als Vorurteil zu verharmlosen und dadurch mit allen möglichen anderen Vorurteilen gleichzusetzen. Erst kürzlich konnte man ihn in einer 3Sat-Sendung bewundern, wie er vor einem Plakat dänischer Künstler steht, auf dem der Deutschland-Korrespondent der Jerusalem Post als Stürmer-Journalist und also als Nazi gebrandmarkt wird. Benz erklärte, das habe mit Antisemitismus nichts zu tun.
Es sind gerade solcherart "Antisemitismusexperten", die sich für den Begriff der "Islamophobie" begeistern können, der ganz bewusst die Unterschiede zwischen antimuslimischen Ressentiments und dem Antisemitismus einebnet. Es gibt kaum noch Veranstaltungen, bei denen Antisemitismus und "Islamophobie" nicht gemeinsam behandelt würden, so auch Anfang August in Wien bei einer "Muslim-Jewish-Conference", deren Veranstalter dem Propagandasender des iranischen Regimes bereitwillig Interviews gaben. Die Parallelisierung des seit 2000 Jahren existierenden, als allumfassende Welterklärung auftretenden und in der Shoah kulminierenden Antisemitismus mit jenen seit einiger Zeit vermehrt zu registrierenden Ressentiments, bei denen Muslime als Projektionsfläche herangezogen werden, basiert auf der Lüge, die Moslems seien die Juden von heute. Keine politisch relevante Gruppierung imaginiert Moslems oder gar ein "islamisches Prinzip" als Verkörperung der Zersetzung, in deren Vernichtung der Krisencharakter der Moderne zu exorzieren wäre. Das aber ist der Kern der antisemitischen Ideologie. Wenn djihadistische Gruppierungen wie die Hamas von einem jüdischen Drang nach Weltherrschaft fantasieren, ist das eine wahnhafte Projektion der eigenen Wünsche auf den ewigen Todfeind. Der Hinweis auf den globalen Herrschaftsanspruch des Islam hingegen ist keine Verschwörungstheorie (auch wenn er von FPÖ-Anhängern und ähnlichen Figuren meist nur in der Form von paranoidem Geraune vorgebracht wird), sondern dieser Anspruch wird von maßgeblichen Strömungen des Islam offen artikuliert.
Selbstverständlich wird in Österreich gegen Moslems gehetzt. Allerdings häufig von den selben Leuten, die im Islam im Orient eine bewundernswerte und zu bewahrende Kultur sehen, mit der man nicht nur die antiwestlichen Ressentiments teilt. Auf Grund ihrer ethnopluralistischen Konzeptionen stellt es für rechtsradikale Gruppierungen kein Problem dar, gegen Moslems in Europa mobil zu machen und sich gleichzeitig beispielsweise mit der "Islamischen Republik" im Iran zu solidarisieren.
Die heimischen Kämpfer wider die "Islamophobie" landen regelmäßig bei einem Hassobjekt, das sie mit den von ihnen attackierten rechten Kulturkämpfern gemein haben: Israel. Der SPÖ-Gemeinderat Omar Al-Rawi, der, wenn er sich rhetorisch gegen den klassischen Antisemitismus positioniert, um seine antiisraelischen Ausfälle ein wenig zu behübschen, stets im gleichen Atemzug eine Bekämpfung der angeblich grassierenden "Islamophobie" einfordert, hat jene Djihadisten, die beim Militäreinsatz gegen die Hamas-Solidaritätsflotte den Tod fanden, als "Märtyrer" bezeichnet, deren Weg er "weiterführen" will - wodurch er in den meisten europäischen Staaten wohl kaum noch als sozialdemokratischer Politiker haltbar wäre.
Keineswegs nur militante radikalislamische Strömungen, sondern auch große Teile des orthodox-konservativen Mainstreams im Islam sehen schon die Selbstbehauptung Israels als Ausdruck der "Islamophobie", da sie den jüdischen Staat als Stachel im Fleisch des Islam betrachten. Eine global orientierte Kritik der dominanten Strömungen des Islam wird konstatieren müssen, dass sich heute gerade unter dem Banner Allahs die Kräfte der Gegenaufklärung und die Todfeinde der Freiheit sammeln. Nur kann man dem nicht mit den Rezepten von Abschiebefanatikern oder einem Pochen auf die 'Werte des christlichen Abendlandes' begegnen, die von einem Schmissgesicht wie Ewald Stadler durchaus angemessen repräsentiert sind. Es geht um eine an der allgemeinen Emanzipation orientierte Islamkritik, die sich zugleich gegen die Fremdenfeinde wendet. Gegen den Kulturrelativismus, der von den rechten Ethnopluralisten ebenso bedient wird wie von linken Islamapologeten und akademischen "Islamophobie"-Forschern, gilt es sich an jene Parole zu erinnern, unter der 1979 Zehntausende Frauen in Teheran tagelang gegen die Einführung der Zwangsverschleierung demonstriert haben: "Emanzipation ist nicht westlich oder östlich, sondern universal."
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