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Antwort an Ulrike Lunacek

 

Unser Flugblatt zur Regenbogenparade, in dem wir über die Situation von Schwulen und Lesben im Iran informiert und sowohl den geplanten 22-Milliardendeal der OMV mit dem Regime in Teheran als auch die völlig unzureichende Stellungnahme dazu von Ulrike Lunacek kritisiert haben, hat zu einer Reaktion von Lunacek geführt. Sie ist stellvertretende Vorsitzende des Außenpolitischen Ausschusses des Nationalrats, Sprecherin der Grünen für Außen- und Entwicklungspolitik sowie für Gleichstellung von Lesben, Schwulen und TransGenders.

Nachstehend unsere Antwort an Ulrike Lunacek, die ebenfalls auf glocalist.com veröffentlicht wurde.


Sehr geehrte Frau Lunacek,

Sie stören sich daran, daß wir ihre Kritik am Zeitpunkt des OMV-Deals und die Forderung nach Einsatz der OMV für Menschenrechtsorganisationen bzw. Oppositionsmedien im Iran in unserem Flugblatt zur Regenbogenparade nicht erwähnt haben. Diese scheinen uns auch entbehrlich zu sein. Denn ob man nun ein Regime wie das iranische zu diesem oder jenem Zeitpunkt, mit oder ohne ein paar Anzeigen in einer oppositionellen Zeitung mit einem 22-Milliardendeal belohnt, ändert nichts an der Sache. (Und auch Sie wissen: die wahrhaft oppositionellen Zeitungen können im Iran gar nicht erscheinen, und dementsprechend kann die OMV auch nicht in ihnen inserieren. Zur Kommentierung Ihrer Forderungen hinsichtlich der OMV-Geschäfte mit der iranischen Theokratie siehe den Artikel von Stephan Grigat in der Berliner Wochenzeitung Jungle World: "Ein Beitrag der Zivilgesellschaft")

Sie verweisen darauf, daß Sie als einzige Nationalratsabgeordnete die Situation von Schwulen und Lesben im Iran wiederholt kritisiert haben. Das ist uns bekannt. Deshalb heißt es in unserem Text auch: "... daß sie die lebensbedrohliche Situation der iranischen Homosexuellen nicht weiter interessiert, wenn es um die Verteidigung österreichischer Interessen geht." Wäre die Diskussion über das geplante OMV-Geschäft nicht ein sehr guter Zeitpunkt und eine passende Gelegenheit gewesen, auf die Situation von Schwulen und Lesben im Iran hinzuweisen, anstatt darauf, daß US-amerikanische Gesetze in Österreich keine Gültigkeit haben?

Zudem erklärt gerade die Tatsache, daß Sie in der Vergangenheit zu den wenigen gehört haben, die überhaupt öffentliche Kritik am Iran formuliert haben, warum wir Sie in unserem Text kritisieren. Von SPÖ- und anderen Politikern und Politikerinnen erwarten wir uns diesbezüglich nichts. Sie hingegen verstehen sich als eine der Emanzipation verpflichtete Politikerin. An eine solche richtet sich unsere Kritik, die nicht auf eine Diskreditierung Ihrer Person abzielt, sondern auf ihre Einsicht hofft. Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie Ihre Position ändern (auch wenn es dafür in Ihrer abwehrenden Antwort keine Hinweise gibt) und öffentlich deutliche Opposition zu dem Milliardendeal der OMV artikulieren würden. Gelegenheit hätten Sie dazu beispielsweise bei der Kundgebung, die wir gemeinsam mit der Israelitischen Kultusgemeinde am 30. September in Wien gegen die Iran-Geschäfte der OMV und gegen das Nuklearprogramm jener Mullahs organisieren, die mit einem zweiten Holocaust drohen.

Nebenbei gesagt (auch wenn das hier gar nicht viel zur Sache tut): Wir "entdecken" nicht erst jetzt die Homophobie der iranischen Mullahs, wie Sie unterstellen. Aktivisten von Café Critique haben sich auch an der Kundgebung vor dem Büro der iranischen Fluglinie gegen die Hinrichtung von zwei Schwulen im Juni 2005 beteiligt. Anders als die Grünen tragen wir allerdings nicht jedesmal eine Fahne unseres Vereins durch die Gegend, wenn wir an einem politischen Protest teilnehmen.

Ihre Kritik der Verwendung des Wortes "Milieu" ist, mit Verlaub, lächerlich und eine recht durchschaubare Abwehrstrategie. Ein Begriff hat nicht nur eine Semantik, sondern auch einen Kontext. Die Homophobie benutzt das Wort, um Schwule und Lesben ins Schmuddeleck zu stellen. Mit Milieu meinen wir in unserem Text jedoch unmißverständlicherweise nicht Homosexuelle, sondern die Grünen und ihren Anhang. Unser Text bezieht sich auf ein politisches Milieu, das permanent von Menschen- und noch lieber Völkerrechten redet, aber die USA treffen möchte; das mehrere zehntausend Menschen auf die Straße bringt, wenn es gegen die Beseitigung der Hussein-Diktatur im Irak geht, aber sich gar nicht dafür interessiert, wenn die Auslöschung Israels angekündigt wird; das sich angeblich für Frauen- und Homosexuellenrechte engagiert, aber Kritik am politischen Islam gerne als Rassismus abqualifiziert.

Sie nehmen für sich die "Kritik an einzelnen Positionen der US-Regierung" in Anspruch. Wir auch. Allerdings: Der Antiamerikanismus gehört zur ideologischen Grundausstattung der postnazistischen Republik Österreich. Bei aller notwendigen Differenzierung: er artikuliert sich gerne auch in der "Kritik an einzelnen Positionen der US-Regierung bzw. vom Kongreß verabschiedeten Gesetzen". Womit eben nicht gesagt ist, daß jede "Kritik an einzelnen Positionen der US-Regierung bzw. vom Kongreß verabschiedeten Gesetzen" antiamerikanisch wäre. Nur: Erklären Sie uns doch einmal, was es an einem Gesetz zu kritisieren gibt, das Unternehmen von der Investition in einem Staat abhalten soll, in dem apokalyptische Märtyrerbanden herrschen, die in neuen religiösen und politischen Formen an den Vernichtungswahn des NS-Staats anzuknüpfen drohen? Wenn einem angesichts eines nationalen Schulterschlusses gegen die 'arroganten Amis' als Reaktion auf die Kritik der USA an dem geplanten OMV-Geschäft im Iran nichts Besseres einfällt als die Klarstellung, daß US-Gesetze in Österreich keine Gültigkeit haben, dann bedient man damit natürlich den Antiamerikanismus. Wir jedenfalls freuen uns, daß wenigstens die USA diese Kritik formulieren - wenn's die Grünen schon nicht hinbekommen.

Opportunismus gut und schön - doch unsachliche Lobgesänge auf das Menschenrechtsengagement der OMV gehen ins Leere. Den Schwulen und Lesben im Iran werden sie zumindest ebenso wenig helfen wie den Israelis, für die das Atomprogramm des Iran eine existentielle Bedrohung darstellt.

Mit freundlichen Grüßen
Café Critique
Wien, 7. 7. 2007

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