Die Rettung der Hisbollah

 

Zwei Monate waren vergangen, seitdem Hassan Nasrallah, Generalsekretär der islamistischen Hisbollah im Libanon, zum letzten Mal vor die Fernsehkameras getreten war und die Verschleppung zweier israelischer Soldaten bestätigt hatte. Nun, am 22. September 2006, betrat er in Beirut vor mehreren hunderttausend Anhängern das Rednerpult, um den „göttlichen Sieg“ zu preisen, den die Partei Allahs im Kampf gegen ihren Todfeind errungen habe. Die Zeit zwischen diesen beiden Auftritten hatte er in Schutzbunkern damit verbracht, den Krieg mit Israel unbeschadet zu überstehen.

Seit sechs Jahrzehnten ist es auf arabischer Seite eine wohlgepflegte Tradition, noch die fürchterlichsten Niederlagen im Kampf gegen Israel propagandistisch als glorreichen Triumph zu verkaufen, Siegesparaden mit geschlagenen Truppen zu zelebrieren und das baldige Ende des zionistischen Erzfeindes zu verkünden. Nasrallahs Jubelposen kamen daher alles andere als unerwartet, zumal seine Einschätzung, wonach es der Hisbollah gelungen sei, Israel eine Niederlage zuzufügen, weitgehend geteilt wurde. In der Zeit asymmetrischer Kriege würde über Sieg oder Niederlage eben nicht (nur) auf dem Schlachtfeld entschieden, sondern vor allem auf dem Parkett der internationalen Medienberichterstattung.

Der Propagandaerfolg der Hisbollah ist unbestritten. Zweifel an der vorherrschenden Sichtweise des Konfliktausganges wurden allerdings durch das Verhalten Nasrallahs und der Hisbollah selbst genährt. Ende August 2006 gab Nasrallah einem libanesischen Fernsehsender ein Interview, in dem er ausführte: „We did not think, even 1 percent, that the capture [der beiden israelischen Soldaten, Anm. F.M.] would lead to a war at this time and of this magnitude. You ask me, if I had known on July 11 … that the operation would lead to such a war, would I do it? I say no, absolutely not.” Von jemandem, der seinen libanesischen Landsleuten und der Weltöffentlichkeit gerade weismachen will, einen glorreichen Triumph erkämpft zu haben, ist das eine wahrlich erstaunliche Aussage. Sie verweist darauf, dass Nasrallah, abseits der öffentlichen Propaganda, die Ergebnisse des Krieges sehr viel realistischer einzuschätzen in der Lage war, als die vielen internationalen Kommentatoren.

Passend dazu zitiert jetzt die Jerusalem Post ein Fernsehinterview, in dem ein Kommandeur der Hisbollah die Situation zu Kriegsende beschreibt: Der Waffenstillstand, der den 34tägigen Waffengang beendete, sei für die Hisbollah wie eine lebensrettende Schwimmweste gewesen. Hätte der Krieg noch einige Tage länger gedauert, die Truppen Nasrallahs hätten aufgeben müssen, da es ihnen an Verpflegung und militärischem Nachschub gemangelt habe. Außerdem bestätigte der namentlich nicht genannte Hisbollahmann, was von israelischer Seite stets betont, von all jenen Kommentatoren aber nicht wirklich zur Kenntnis genommen wurde, die vor lauter „Unverhältnismäßigkeit“ keine Raketen mehr sahen: Weil es der israelischen Armee gelungen war, die Zeitspanne zur Lokalisierung von Abschussrampen auf wenige Minuten zu verkürzen, operierten die Hisbollahkämpfer aus belebten Wohngebieten, wohl wissend, dass dadurch Zivilisten zu Schaden kommen werden.

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