Die Waffen-SS als Vorbild

Alle Jahre wieder bieten die Sommermonate ambitionierten Politikern die Möglichkeit, mit eigenwilligen Vorschlägen oder Stellungnahmen, die sonst nicht einmal Kurzmeldungen wert wären, großes mediales Echo zu erlangen. Das diesjährige Sommerloch hat schon verheißungsvoll begonnen: Der ÖVP-Abgeordnete und sozialpartnerschaftliche Multifunktionär Fritz Neugebauer machte den Anfang mit dem Vorschlag, bereits dreijährige Kleinkinder sollten Tests unterzogen werden, um deren Entwicklungspotential feststellen zu können – ein Vorschlag, der von allen Experten sogleich als hochgradig schwachsinnig zurückgewiesen wurde.

Als nächstes folgte Peter Westenthaler, Klubobmann des Bündnisses Zukunft Österreich (BZÖ), der seinen möglicherweise bevorstehenden Rückzug aus der Politik damit begründete, dass ihm das Niveau der österreichischen Politik zu gering sei. Der grandiose Witz dieser Meldung mag nicht-österreichischen Lesern, die mit den Niederungen der hiesigen politischen Landschaft nicht vertraut sind und die Karriere des Peter Westenthaler nicht verfolgt haben, vielleicht nicht unmittelbar verständlich sein. Ohne das Leben und Wirken des Herrn W. ausführlich würdigen zu wollen, sei zur Veranschaulichung nur angemerkt, dass sein Lamento über das Niveau der politischen Auseinandersetzung in etwa gleichzusetzen wäre mit einer Ankündigung von Jürgen Drews, er werde Mallorca verlassen, weil ihm Touristen dort zu tief seien, oder mit der Bestellung Jacques Chiracs zum obersten Korruptionsbekämpfer der EU.

Das Sommerloch bietet aber auch die Möglichkeit, über grundsätzlichere Fragen zu sinnieren, die normalerweise im politischen Alltagsgeschäft zu kurz kommen. Diese Gelegenheit hat jetzt H.C. Strache ergriffen, seines Zeichens Vorsitzender der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ). In einem Interview mit der Wochenzeitschrift Format (Ausgabe 32/07) bezeichnet er die vor ein paar Monaten aufgetauchten Fotos, die Strache vermutlich bei Wehrsportübungen mit Nazis in Kärnten zeigen, als „Bubendummheiten“. Jeder Mensch mache in seiner Jugend nunmal Dinge, die er, „wenn er älter und reifer ist, nicht mehr so tun würde.“ Mit dem Alter kommt eben die Weisheit, auch was die Erläuterung historischer Sachverhalte anbelangt: „Ich werde nie zulassen, dass man eine Generation oder auch nur Mitglieder der Waffen-SS pauschal verurteilt“. Ob Strache damit andeuten will, dass er beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Klage gegen das Urteil des Nürnberger Prozesses einbringen will? Möglich ist es: „Nicht jeder Kriegsteilnehmer hat ein Verbrechen begangen. Und es war auch nicht jedes Mitglied der Waffen-SS ein Verbrecher.“ Das zumindest haben die Richter im Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher in Nürnberg anders gesehen und die SS, inklusive all ihrer Gliederungen, zur verbrecherischen Organisation erklärt. Glücklicherweise sind bei Format nur besonders engagierte Journalisten beschäftigt, die Straches Geschichtsrevisionismus sogleich entschieden entgegen treten: „Aber mit Verlaub – es ist auch nicht automatisch jedes Mitglied der Waffen-SS kein Verbrecher.“ Ein Lob dem kritischen Journalismus…

Aber Strache hätte in der FPÖ nicht Karriere gemacht, wenn er nicht auch auf diesen infamen Einwand gebührend zu reagieren wüsste: „Also bitte, lesen Sie sich doch israelische Militärbücher durch, dort wird heute die Waffen-SS als eine der Eliteeinheiten erwähnt, eine Einheit, die vorbildhaft für die israelische Militärausbildung sein soll.“ Und wie reagieren die besonders kritischen Format-Journalisten auf diese Ungeheuerlichkeit? So: „Im Gegensatz zu Ihnen lesen wir keine israelischen Militärbücher.“

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