Gedenken an 9/11

Wie sollten Fernsehsender den Jahrestag der verheerendsten Terroranschläge der menschlichen Geschichte, die über dreitausend Menschen das Leben gekostet haben, begehen? Der Sender Kabel 1 widmet den gesamten kommenden Dienstagabend den Attentaten von 9/11: Zuerst wird in einem Dokudrama an die Geschichte des Fluges United Airlines 93 erinnert, der nach den Plänen seiner islamistischen Entführer vermutlich ins Weiße Haus oder das Capitol in Washington stürzen sollte, nach heftigem Widerstand der Passagiere jedoch auf einem Feld in Pennsylvania abstürzte. Darauf folgt eine Dokumentation mit den Titel Überlebt im Nordturm – Das Wunder vom 11. September, sowie eine Folge der sendereigenen Doku-Reihe zum Thema 9/11 Chaos am Himmel – Als Amerika den Luftraum räumte. Der Sender RTL 2 versucht sich den Anschlägen auf andere Art und Weise zu nähern: Schicksalsreportage: 11. September 2001 – Sprung in den Tod. Rekonstruiert wird darin die Biografie eines jener Menschen, die, um dem Inferno zu entfliehen, keinen anderen Weg mehr sahen, als aus den oberen Stockwerken des World Trade Center in den sicheren Tod zu springen. Das ZDF widmet sich schließlich in einer Dokumentation den vielen Verschwörungstheorien, die um 9/11 kursieren.

Der ORF geht einen anderen Weg. Am Jahrestag selbst wird so richtig auf Verständnis gesetzt. Wie um zu beweisen, dass man die “Lehren des 11. September” verstanden habe, widmet man sich zuerst einem der Lieblingsthemen der Islamfaschisten; was von einer Reportage mit dem Titel: Mein Kopf gehört mir – religiöse und kulturelle Tradition des Kopftuches zu halten ist, kann man sich unschwer vorstellen. Darauf folgt der Beitrag: Djallaledin Maulana Rumi: Philosophie und Poesie eines der wichtigsten Dichter und Mystiker des Islam. Damit soll wohl ein Kontrapunkt gesetzt werden: Zwar haben vor sechs Jahren einige Kämpfer der “Religion des Friedens” es u.a. als ihren göttlichen Auftrag gesehen, im World Trade Center soviele Menschen wie möglich zu töten, aber im 13. Jahrhundert gab es Einen, der einen ganz anderen Islam vertrat…

Von den Anschlägen selbst wird man am 11. September im österreichischen Staatsfernsehen also höchstens in Nebensätzen hören. Der ausführlichste Beitrag zu diesem Anlass wurde ja bereits gestern ausgestrahlt: 9/11 Mysteries – Die Zerstörung des World Trade Centers. Die Programmzeitschrift tv media (Ausgabe 36/2007) kündigte diese Dokumentation folgendermaßen an: “Die Macher des Films räumen mit den Verschwörungstheorien rund um das Ereignis auf und ersetzen sie durch Fakten”. Das klingt ja eigentlich nicht schlecht, nur hat die Sache einen Haken: Die “Verschwörungstheorie”, mit der das Machwerk aufräumen will, ist die schreckliche Wahrheit, dass Flugzeuge in die Türme krachten und diese infolge der Wirkungen der Einschläge und der ausgebrochenen Feuer zusammenstürzten und knapp 3000 Menschen unter sich begruben. Statt dessen wird ein Sammelsurium der absurdesten Theorien präsentiert, die alle darauf hinauslaufen, dass die Türme natürlich nicht wegen der Flugzeugeinschläge zusammenbrechen, sondern nur mittels gezielter Sprengungen zu Fall gebracht werden konnten. Um diesen haarsträubenden Unsinn zu untermauern, bedient sich die Macherin des Filmes all jener Methoden, die bei verschwörungstheoretischen Knallköpfen weltweit so beliebt sind.

In erster Linie stützt sie sich auf Interviews mit Augenzeugen, die unmittelbar während der sich entfaltenden Katastrophe von diversen Radio- und Fernsehstationen geführt worden waren. Viele sprachen von Explosionen, die sie gehört hätten. Doch die unmittelbaren Eindrücke, zumal wenn sie so überwältigend sind, sind oftmals nicht die verlässlichsten. Inmitten des Infernos “hörten” und “sahen” viele Leute Dinge, die sich im Nachhinein als falsch herausstellten. In dem sehenswerten Dokumentarfilm 11. September – Die letzten Stunden im World Trade Center etwa wird an einer Stelle ein Feurwehrmann in der Lobby des Nordturmes gezeigt, der überzeugt davon war, dass soeben ein drittes Flugzeug in die Türme eingeschlagen hatte. Der Mann hatte mit Sicherheit nicht vor, sich und seinen Kollegen durch das Verbreiten von falschen Gerüchten den ohnehin fürchterlichen Einsatz noch zu erschweren, und dennoch war er von der Existenz eines dritten Flugzeuges überzeugt. (Im Nachhinein wird er wohl selber zugeben müssen, dass es kein drittes Flugzeug im World Trade Center gab – selbst die hartnäckigsten verschwörungstheoretischen Vollidioten haben meines Wissens nach so etwas bislang nicht behauptet.)

Der Film 9/11 Mysteries ist eines jener Propagandamachwerke, die nach den Anschlägen im Internet Karriere machten. Irgendwelche dahergelaufenen Spinner bastelten sich wundersame Theorien, um sich nicht einer grausamen Realität stellen zu müssen, die ihren antiamerikanischen Hohlköpfen widerspricht. So ganz wohl scheint dem ORF bei der Ausstrahlung dieses Mists dann doch nicht gewesen zu sein, denn vor Beginn des Films zeigte er folgende Einblendung: “Der folgende Dokumentarfilm ‘9/11 Mysteries’ wurde von der amerikanischen Autorin Sophia Smallstorm im Jahr 2006 produziert. Smallstorm widerspricht darin den offiziellen Darstellungen der Ereignisse vom 11. September 2001. Der ORF stellt als eine der ersten Fernsehanstalten diese spekulative Ansicht zur Diskussion, die bisher nur im Internet veröffentlicht und Millionen Mal abgerufen wurde. Der ORF distanziert sich von allfälligen Aussagen, die dem ORF-Gesetz, insbesondere dessen Objektivitätsgebot widerprechen.”

Diese Erklärung stellt an und für sich schon einen Skandal dar, der die Programmverantwortlichen zwar nicht den Kopf (das ist Ländern vorbehalten, in denen die göttliche Scharia gilt), wohl aber deren Jobs kosten sollte. Hier wurde nichts “zur Diskussion gestellt”, sondern üble Propaganda gesendet – und dass noch in unmittelbarer Nähe zum Jahrestag der Anschläge und als einziger längerer Beitrag des ORF zu diesem Thema. Die pflichtschuldige Distanzierung von wegen “Objektivitätsgebot” ist eine Farce der Sonderklasse. Was kommt als nächstes? Die Ausstrahlung einer Verfilmung der Protokolle der Weisen von Zion, die immerhin in Ägypten und Syrien ein Millionenpublikum vor den Fernsehgeräten fesselte, um sie “zur Diskussion zu stellen” und sich zu distanzieren, sollte sie dem “Objektivitätsgebot” des ORF widersprechen?

Comments are closed.