“Friedensprozess” im Schnelldurchlauf

Am 16. Juli diesen Jahres hielt George W. Bush eine lang erwartete Rede über seine zukünftigen Pläne in der Nahostpolitik. Er kündigte darin an, im Herbst zu einer Konferenz in die Vereinigten Staaten laden zu wollen, auf der es um Perspektiven zur Lösung des israelisch-palästinensischen Konfliktes gehen soll. Abraham Foxman, der Vorsitzende der Anti-Defamation League, hat jetzt in der Jerusalem Post seine leider nur allzu begründete Besorgnis darüber zum Ausdruck gebracht, was seitdem mit Bush’s Vorschlag passiert ist. Tatsächlich boten die letzten dreieinhalb Monate ein sehr instruktives Beispiel über die Art und Weise, wie Politik im “Friedensprozess” funktioniert. Gestatten wir uns, Foxmans Gedanken aufgreifend, einen kurzen Rückblick.

Vor mehr als fünf Jahren war George W. Bush der erste Präsident, der die Schaffung eines palästinensischen Staates zu einem der wichtigsten Ziele der amerikanischen Außenpolitik erklärte. Der Oslo-Friedensprozess lag völlig in Trümmern, der im Herbst 2000 begonnene palästinensische Terrorkrieg gegen Israel befand sich gerade auf dem Höhepunkt. Bush zog in einer Rede im Rose Garden des Weissen Haus die Konsequenzen aus dem Scheitern der bisherigen Politik. Die zentrale Passage der Rede lautete:

“Peace requires a new and different Palestinian leadership, so that a Palestinian state can be born. I call on the Palestinian people to elect new leaders, leaders not compromised by terror. I call upon them to build a practicing democracy, based on tolerance and liberty. If the Palestinian people actively pursue these goals, America and the world will actively support their efforts. … A Palestinian state will never be created by terror – it will be built through reform. … Today, the Palestinians are encouraging, not opposing terror. This is unacceptable.”

Bush machte auch deutlich, was er von einer neuen palästinensischen Führung konkret erwartete: ein Ende der antiisraelischen Hetze in den offiziellen Publikationen der palästinensischen Autonomiebehörde, eine klare und unmissverständliche Distanzierung von den mörderischen Selbstmordattentaten sowie den Stopp der finanziellen und sonstigen Unterstützung von Terrorgruppen. Fünf Jahre später bekräftigte Bush diese Positionen. Am 16. Juli erklärte er:

„To make this prospect a reality, the Palestinian people must decide that they want a future of decency and hope — not a future of terror and death. They must match their words denouncing terror with action to combat terror. The Palestinian government must arrest terrorists, dismantle their infrastructure, and confiscate illegal weapons — as the road map requires. They must work to stop attacks on and to free the Israeli soldier held hostage by extremists. And they must enforce the law without corruption, so they can earn the trust of their people, and of the world. Taking these steps will enable the Palestinians to have a state of their own. And there’s only one way to end the conflict, and nothing less is acceptable.”

Die vom Präsidenten ins Auge gefasste Konferenz im Herbst sollte folgenden Zwecken dienen: „Secretary Rice will chair the meeting. She and her counterparts will review the progress that has been made toward building Palestinian institutions. They will look for innovative and effective ways to support further reform. And they will provide diplomatic support for the parties in their bilateral discussions and negotiations, so that we can move forward on a successful path to a Palestinian state.”

Wie Foxman betont, sind dies einigermaßen zurückhaltende Zielvorstellungen. Wirft man nun aber einen Blick auf die aktuellen Debatten über die bevorstehende Konferenz, kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus. König Abdullah von Jordanien, der ägyptische Außenminister Abu-Gaith, Mahmud Abbas als Vorsitzender der palästinensischen Automoniebehörde: sie alle sprechen plötzlich von der Konferenz im November als der letzten Chance für eine umfassende Lösung des israelisch-palästinensischen Konfliktes. Abbas spricht gar von einer Frist von nicht mehr als sechs Monaten, innerhalb derer es zur Unterzeichnung eines Friedensvertrages kommen müsse. Von der vorsichtigen Zurückhaltung, die Präsident Bush zum Ausdruck brachte, scheint nichts mehr geblieben zu sein.

Doch nicht nur das: Auch von den klaren Forderungen Bushs an eine „neue“ palästinensische Führung ist nichts mehr zu hören. Seit seiner Parteinahme für die Gründung eines palästinensischen Staates im Frühsommer 2002 ist kein einziger jener Punkte erfüllt oder überhaupt nur in Angriff genommen worden, die er als Voraussetzung einer solchen Staatsgründung bezeichnete. Weder hat die PA den Kampf gegen Terroristen begonnen, noch hat sie auch nur rudimentäre Schritte zur Reform der palästinensischen Institutionenlandschaft unternommen. Von einem Ende der Hetze gegen Israel kann ebenso wenig die Rede sein, wie von einer Stärkung rechtsstaatlicher Strukturen in den palästinensischen Gebieten. Und dabei spreche ich nicht einmal über den Gazastreifen, in dem die Hamas die Macht an sich gerissen hat und sich seitdem verhält, wie man es von Islamisten ihres Schlages nicht anders erwarten würde. Nein, auch die Westbank unter Führung der „moderaten“ Fatah degeneriert zusehends zu einem Gebiet, in dem bewaffnete Banden „islamische“ Werte gegen alle Ungläubigen durchsetzen. Erst kürzlich wurde bekannt, dass die palästinensische Autonomiebehörde eine „Moralpolizei“ geschaffen hat, die alle Verstöße gegen die islamischen Fastengebote im Ramadan bestraft. „If anybody violates respect for Ramadan in the street, we take their identity papers and hold them for questioning”, wird der Chef eines solchen Kommandos in der Jerusalem Post zitiert. Über die Begründung für ein solches Vorgehen können sich Hamas & Co nur die Hände reiben: „Violating the holiness of Ramadan is a violation of people’s freedom.“ Die einstmals von europäischen Linken wegen ihrer Säkularität gerühmte palästinensische Gesellschaft ist nicht einmal mehr ein Schatten ihrer selbst.

Im „Friedensprozess“ bleibt hingegen alles wie gehabt: Von Israel wird ein Zugeständnis nach dem anderen erwartet, um die Palästinenser bei Laune zu halten. Die palästinensische Führung unternimmt im Gegenzug nichts anderes, als in unerschütterlicher Selbstgerechtigkeit immer wieder Forderungen zu erheben, von denen sie ganz genau weiß, dass sie inakzeptabel sind. Erst letzte Woche erklärte Mahmud Abbas, dass er als „Flüchtling“ das Recht haben müsse, in seinen Geburtsort in Galiläa zurückzukehren. Jeder weiß, was ein uneingeschränktes „Rückkehrrecht“ für palästinensische „Flüchtlinge“ bedeuten würde.

Abraham Foxman ist daher nur zuzustimmen, wenn er davor warnt, sich hochgeschraubten Illusionen über einen nahen Durchbruch im „Friedensprozess“ hinzugeben. Nichts in der momentanen Situation gibt Anlass für solchen Optimismus. Ganz im Gegenteil: Hohe Vertreter einer intransigenten palästinensischen Führung kündigten bereits an, ein „Scheitern der Nahostkonferenz“ – übersetzt: eine Weigerung Israels, vor palästinensischen Maximalforderungen zu kapitulieren – werde eine neue Welle der Gewalt auslösen. Im Rahmen des „Friedensprozesses“ der neunziger Jahre hat es bis zu diesem Punkt immerhin sieben Jahre lang gedauert – von der Unterzeichnung des sogenannten Osloabkommens bis zum Beginn des palästinensischen Terrorkrieges im Herbst 2000. Diesmal reichten seit der “Wiederbelebung des Friedensprozesses” im Frühsommer diesen Jahres bereits knapp vier Monate, bis Israel mit der Androhung einer neuen Terrorwelle konfrontiert wurde.

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