Schöner Scheitern

Je näher die für 27. November anberaumte Nahostkonferenz in Annapolis rückt, desto sicherer wird, dass ein Scheitern des ganzen Spektakels am Ende der Beratungen stehen wird. Nichts, außer einem gehörigen Maß an Realitätsverweigerung, deutet darauf hin, dass ein großer „Durchbruch“ im „Friedensprozess“ bevorstehen könnte. Außer der Zusage der Rumpf-Autonomiebehörde, gegen terroristische Gruppierungen vorgehen zu wollen, gibt es keinerlei nennenswerten Fortschritte zu vermelden, und selbst diese Absichtserklärung hinterlässt einen mehr als schalen Nachgeschmack. Seit der Unterzeichnung des Osloabkommens hat sich die palästinensische Führung (grob geschätzt) etwa zweihundertfünfzig Mal zu Ähnlichem verpflichtet, ohne den verbalen Bekundungen auch Taten folgen zu lassen; warum das beim zweihunderteinundfünfzigsten Mal anders sein sollte, können vermutlich nur Kaffeesatzdeuter, Astrologen oder Javier Solana erklären.

Den verlässlichsten Hinweis auf das bevorstehende diplomatische Desaster liefert die gestern vom Boston Globe veröffentlichte Liste der (bislang) eingeladenen Verhandlungsteilnehmer. Auf amerikanischer Seite werden George W. Bush und Condoleezza Rice am Verhandlungstisch sitzen, d.h. ein Präsident, der gerade im Begriff ist, sich von wesentlichen Bestandteilen der sogenannten Bushdoktrin zu verabschieden, und eine Außenministerin, die diesen Kurswechsel bereitwillig ausführt. Auf israelischer Seite werden Premierminister Olmert und Außenministerin Livni anreisen, Vertreter einer Regierung somit, die sich hartnäckig weigert, aus ihren bisherigen Fehlern zu lernen, bei Neuwahlen mit ziemlicher Sicherheit über keine Mehrheit mehr verfügen würde und darüber hinaus völlig unfähig wäre, ein Abkommen umzusetzen, sollte ein solches auf wundersame Weise doch noch zustande kommen. Die Palästinenser werden durch Präsident Abbas und ein Verhandlungsteam vertreten sein, das im Wesentlichen aus korrupten Funktionären und notorischen Lügnern wie Saeb Erekat besteht – Personen somit, die in der Vergangenheit ihre Unfähigkeit hinlänglich unter Beweis gestellt und kaum eine Möglichkeit ausgelassen haben, sich vor der internationalen Gemeinschaft und der palästinensischen Bevölkerung gründlich zu diskreditieren.

So weit, so schlecht. Doch die Liste der Geladenen ist damit noch lange nicht zu Ende. Ansatzweise nachvollziehbar erscheint noch die Teilnahme von Vertretern der übrigen Mitglieder des Nahostquartetts, also der UN, der europäischen Union und Russlands. Nicht dass dieses famose Quartett als solches bislang irgend etwas zum „Friedensprozess“ beigetragen hat, aber es existiert nun einmal, und irgendwie gehört es zum guten Ton, so zu tun, als sei es wichtig. Jedenfalls kommt so auch Österreich zur großen Ehre, in der Person Ferrero-Waldners ein bisschen große Politik spielen zu dürfen. Die EU-Außenkommissarin hat zwar de facto selbst innerhalb der EU-Außenpolitik kaum etwas zu Reden, aber weil sie immer gerne dabei ist, wenn es gilt, sich wichtig zu machen, sei ihr der bescheidene Erfolg gegönnt.

Die zahlenmäßig größte Gruppe an Teilnehmern stellen die arabischen Staaten. Während eine Beteiligung Ägyptens oder Jordaniens durchaus sinnvoll sein könnte, kann man sich nur wundern, warum etwa der besonders friedliebende Sudan in Annapolis vertreten sein sollte. Und selbst wenn eine umfassende Konfliktbeilegung ohne Syrien unmöglich ist, gibt es keinen einzigen Grund davon auszugehen, dass das derzeitige Damaszener Regime augenblicklich an einem Frieden mit Israel interessiert wäre. Eine weitere Teilnehmergruppe besteht aus Mitgliedsländern der Organisation der Islamischen Konferenz. Inwiefern allerdings die Anwesenheit Pakistans, Indonesiens und Malaysias etwas zum Gelingen der Nahostkonferenz beitragen kann, wird der interessierten Öffentlichkeit bei Gelegenheit hoffentlich noch erklärt werden.

Besonders skurril ist die Liste jener Länder, die im Boston Globe unter der Überschrift „andere Nationen“ angeführt werden. Diese Kategorisierung kann als stilles Eingeständnis betrachtet werden, dass es beim Willen unmöglich ist, einen auch nur ansatzweise sinnvollen Zusammenhang herzustellen. Spanien wird jedenfalls ebenso vertreten sein wie der Vatikan, Brasilien, Schweden, Polen, Slowenien, der Senegal oder Griechenland.

Insgesamt werden nach momentanem Stand der Dinge 49 Delegationen am Konferenztisch Platz nehmen. Obwohl also das Motto vorzuherrschen scheint: Jeder darf mal ran!, geht selbst das einigen „Experten“ in Sachen Nahostkonflikt nicht weit genug. Die International Crisis Group etwa veröffentlichte einen Report, in dem sie ihre Einschätzung der Lage zum Besten gibt. Auch die ICG sieht die Gefahr eines Scheiterns des Gipfels, allerdings nicht, weil hier lauter Leute über Dinge verhandeln werden, die sie im Grunde genommen überhaupt nichts angehen, sondern weil die Hamas nicht mit von der Partie ist: „(I)t’s exclusion risks undermining chances of stability and peace.“ Es bleibt das große Geheimnis der ICG, warum die erwünschte Inklusion der Hamas ausgerechnet die Chancen von Stabilität und Frieden erhöhen soll. Doch sie ist mit dieser Sichtweise nicht allein. Anhänger der „realistischen“ Schule der internationalen Politik sowie die breite Schar linker „Kritiker“ Israels wiederholen bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit die große Weisheit, man könne Frieden eben nur mit Feinden schließen, weshalb der ohnehin halbherzige Versuch der Isolierung der Hamas der vollkommen falsche Weg sei. Noah Pollak hat diesen Gedanken im Commentary-Blog aufgenommen und festgehalten, was das überraschendste an dieser Position ist: Ihre Proponenten haben – außer Plattitüden – keinerlei Argumente zu bieten. Seinem Schluss ist nur zuzustimmen: „There are dozens of reasons why Annapolis will be unable to achieve anything close to its stated goals, but, contrary to popular opinion, one of them is not the absence, next week, of representatives of Hamas at the Naval Academy.”

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