“I hate Islam and all the clerics”

Seit dem Beginn der Diskussionen über einen möglichen Militäreinsatz zum Sturz der faschistischen Diktatur Saddam Husseins gehört ein Argument zum Standardrepertoire der Kriegsgegner: Der Kampf gegen den Terrorismus müsse auf der politischen Ebene geführt werden, denn der Einsatz militärischer Gewalt würde nur katastrophale Folgen zeitigen und erst recht die Terroristen hervorbringen, die zu bekämpfen er vorgibt. Während der Irak vor der Invasion ein „säkulares“ Land gewesen sei, habe es sich erst in Folge des Krieges zum wichtigsten Schauplatz islamistischen Terrors entwickelt, auf dem zukünftige Generationen von Djihadisten herangezogen würden. Über Jahre hinweg wurde dieses Argument wiedergekäut, und das Blutvergießen im Irak schien es zu bestätigen.

Ausgerechnet die New York Times veröffentlichte nun eine lesenswerte Reportage, die diese allseits akzeptierte Weisheit in Frage stellt. Denn nachdem Journalisten zwei Monate lang in fünf verschiedenen irakischen Städten Interviews geführt hatten, kamen sie zu einem überraschenden Schluss: Junge Iraker und Irakerinnen haben, salopp formuliert, von den Islamisten die Schnauze voll: „After almost five years of war, many young people in Iraq, exhausted by constant firsthand exposure to the violence of religious extremism, say they have grown disillusioned with religious leaders and skeptical of the faith they preach.“ Ein 19 jähriger Schiit aus einem armen Bagdader Viertel macht seinem Ärger Luft: „The religious men are liars. Young people don’t believe them. Guys my age are not interested in religion anymore.” Eine Professorin aus Bagdad fasst die Stimmung unter jungen Irakern zusammen: „They have changed their views about religion. They started to hate religious men. They make jokes about them because they feel disgusted by them.” Eine 24 jährige Studentin berichtet, wie sie nach 9/11 von Osama bin Laden begeistert war. Doch als sie erfahren musste, was die Herrschaft von Islamisten konkret bedeutet, änderten sich ihre Ansichten: „Now I hate Islam. … Al Qaeda and the Mahdi Army are spreading hatred. People are being killed for nothing.”

Wie die Times bemerkt, widersprechen diese Entwicklungen dem allgemeinen Trend in der Region, in der die religiösen Kräfte überall auf dem Vormarsch zu sein scheinen. Doch dass es um die Sache der Islamisten im Irak aktuell nicht zum Besten bestellt ist, wird auch durch andere Quellen bestätigt. Die letzten Verlautbarungen der Führungsebene der al Qaida klangen nicht nach feurigen Propagandareden siegesgewisser Djihadisten, sondern nach verbitterten Durchhalteparolen und verzweifelten Warnungen, nur ja nicht vom gottesgefälligen Weg abzufallen. Die amerikanische Militärführung ist vorsichtig genug, die al Qaida im Irak nicht vorschnell für erledigt zu erklären, aber es gibt keinen Zweifel daran, dass deren anvisiertes Projekt eines islamistischen Gottesstaates nach afghanischem Vorbild gescheitert ist.

Fast scheint es, als würden die vielgeschmähten Neocons mit einer ihrer zentralen Annahmen recht behalten: Der Krieg im Irak hat, entgegen der gebetsmühlenartigen Warnungen der Kritiker, keineswegs zu einer Solidarisierung der Bevölkerung mit den Djihadisten geführt. Ganz im Gegenteil: „I hate Islam and all the clerics“, sagte eine Schülerin aus Basra zu den Interviewern der Times, „because they limit our freedom every day“. Sie hat auf einer persönlichen Ebene verstanden, dass der Kampf gegen den islamistischen Terror ein Kampf für Freiheit ist. Von Europa, insbesondere von europäischen Linken, kann sie sich dabei nach wie vor keine Unterstützung erwarten.

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