Nur ein großer Patriot

Samstag, 7. Juni, Fußballeuropameisterschaft 2008. Zur Eröffnung des Public Viewing-Bereichs an der Wiener Ringstraße betreten die Stargäste des Abends die Bühne. Zur Begrüßung der Fans, viele davon in Wehrmachts- und SS-Uniformen gekleidet und mit einschlägigen Abzeichen versehen, brüllt der Sänger der Band ein lautes “Sieg!” ins Mikrophon. Aus zigtausenden Kehlen schallt ihm, so ist es üblich, “Heil!” entgegen, während die Arme zum Hitler-Gruß in die Höhe gestreckt werden. Unmöglich, denken Sie? Sie haben vermutlich recht. Eine derart eindeutige Inszenierung vor den Augen der versammelten Pressevertreter aus aller Welt wäre in Wien unmöglich. Aber Kärnten ist, wie der Slogan der Tourismusindustrie richtigerweise proklamiert, “anders”. Dort wird Sänger Marko Perkovic den Ustascha-Gruß “Za dom spremni!” (“Für die Heimat bereit!”) in die Menge rufen und von tausenden Faschisten bejubelt werden: Wie der Standard berichtet, tritt zur Eröffnung des Public Viewing-Bereichs im Stadion von St. Andrä im Kärntner Lavanttal die kroatische Band Thompson auf.

Thompson ist ein Phänomen, das eine Menge über das zeitgenössische Kroatien aussagt.  Perkovic stammt aus einem bemitleidenswerten Kaff im gleichermaßen bemitleidenswerten dalmatinischen Hinterland. Bekannt wurde er, als er als kroatischer Soldat im Krieg 1991 eine Hymne auf seine Militäreinheit veröffentlichte. 1992 verließ er die Armee, kehrte aber drei Jahre später kurzzeitig zurück, um an der berüchtigten Operacija Oluja mitzuwirken: In nur 36 Stunden eroberte die kroatische Armee unter der Führung Ante Gotovinas die serbisch kontrollierte Krajina und vertrieb die dort lebenden über 200.000 Serben. Gotovina muss sich deshalb vor dem Internationalen Tribunal für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien verantworten; Perkovic verehrt ihn und andere Ex-Generäle und lässt deshalb gelegentlich bei Konzerten einige Stühle in der ersten Reihe symbolisch leerstehen, um seine Solidarität mit den Verbrechern zu bekunden. Der Name Thompson leitet sich von der britischen Maschinenpistolenmarke her, die Perkovic als Soldat verwendete.

In seinen Liedern werden Gott, Familie und Vaterland besungen, und im Falle Kroatiens heißt das unweigerlich, dass auf den Unabhängigen Staat Kroatien (Nezavisna drzava Hrvatska) positiv Bezug genommen wird, jenen Satellitenstaat von nationalsozialistischen Gnaden unter der Führung von Ante Pavelic also, dessen grausame Verfolgung von Serben, Juden und Roma einst selbst die deutschen Stellen in Staunen versetzte. So verwundert es nicht, dass auf Thompson-Konzerten die Ustascha-Vergangenheit Kroatiens, zumindest was Mode und Accessoires betrifft, allgegenwärtig ist. (Wer sich ein Bild von dieser Symbolik machen will, der möge auf Youtube nach der Band suchen und sich ein wenig durch die Ergebnisse klicken.) Passend dazu gab Thompson auf Konzerten des Öfteren ein Spottlied über den Ustascha-Lagerkomplex Jasenovac zum Besten. Darüber hinaus zeichnet er für die Parteihymne der rechtsexremistischen und antisemitischen Partei des Rechts verantwortlich.

Nun könnte man sagen, all das sei nichts Besonderes, schließlich gäbe es in vielen Ländern Nazi- bzw. Faschobands, die Nationalismus predigen und eine grausame Vergangenheit hochleben ließen. Allerdings gibt es einen gewichtigen Unterschied: Deutschsprachige Nazis, die sich in ihren Liedern über Auschwitz lustig machen, sind ein Minderheitenprogramm. Davon kann freilich bei Thompson keine Rede sein. Seine Konzerte füllen die größten Stadien Kroatiens und locken dabei, wie im Sommer letzten Jahres in Zagreb, über 40.000 Besucher an; im Publikum sitzen hochrangige Politiker und das Spektakel wird live im kroatischen Staatsfernsehen übertragen. Es mag sein, dass Premierminister Ivo Sanader im Interesse eines baldigen EU-Beitritts Kroatiens und aufgrund internationalen Drucks eine Abkehr von der Ustascha-Nostalgik der Tudjman-Jahre fördert, doch zeigt das Beispiel Thompson, wie groß die Widerstände dagegen nach wie vor sind.

Im vergangenen Sommer kam es bei einem Freundschaftsspiel zwischen Rapid Wien und Dinamo Zagreb im steirischen Kapfenberg zu schweren Ausschreitungen, worauf alle weiteren Testspiele des ehemaligen Tudjman-Vereins abgesagt werden mussten. Nach der Gruppenauslosung für die EM wurden aus Sicherheitskreisen sofort Befürchtungen laut: Mit den Partien Kroatien gegen Polen, Kroatien gegen Deutschland und Polen gegen Deutschland finden gleich drei der problematischsten Spiele in Klagenfurt statt. Jemandem wie Thompson eine Bühne zu bieten, ist in jedem Fall falsch; im Hinblick auf die EM ist seine Einladung jedoch blanker Wahnsinn. In der Schweiz wurde jedenfalls ein Konzert im Vorfeld der EM nach massiven Protesten schließlich verboten.

Einen Hinweis darauf, wie man auf so eine Idee kommen kann, gibt der Bürgermeister von St. Andrä, der Sozialdemokrat Peter Stauber. Nach Thompson befragt, sagte er dem Standard: “Er singt über die Heimat. Er ist doch nur ein Patriot. Das sind wir hier in Kärnten auch.” Dass der Patriotismus von Thompson auf Ustaschaverharmlosung und heiteren Liedern über Vernichtungslager beruht, ist eine Sache. Dass damit dem kroatischen Faschismus im schönen Kärnten neben den alljährlichen “Feierlichkeiten” in Bleiburg nun auch die Ehre zukommt, bei der Eröffnung der Fußball-EM sein Unwesen treiben zu dürfen, ist eine andere Sache. Dass jedoch ein Kärntner Sozialdemokrat an all dem nichts bedenklich findet, sondern nur sagt, Thompson ist ein Patriot, wie auch die Kärnter Patrioten sind, bestätigt Befürchtungen, die man im restlichen Österreich des Öfteren hegt.

Update, 26. April 2008: Nach Protesten von Antifaschisten und der Erklärung der Kärntner Sicherheitsdirektion, das Konzert stelle ein Sicherheitsrisiko dar, wurde der Auftritt von Thompson abgesagt.

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