Nachrichten, die es nicht in die Nachrichten schaffen (2)

Der Irak-Krieg ist, folgt man Berichten in deutsch- und auch vielen englischsprachigen Medien, eine hoffnungslose Sache. Nehmen wir als ein Beispiel von vielen den jüngsten Kommentar Georg Hoffmann-Ostenhofs im aktuellen profil. Der Krieg sei “offenbar nicht zu gewinnen”; die Regierungen Großbritanniens und der Vereinigten Staaten würden von ihren Wählern die Rechnung dafür präsentiert bekommen: “Früher oder später ereilt einen der Fluch der bösen Tat.” Überwältigt von der Macht solcher Offenbarungen, Flüche und bösen Taten könnte man glatt übersehen, dass die Lage im Irak keineswegs in dem Bild aufgeht, dass ständig von ihr gezeichnet wird.

Das hat nur zum Teil damit zu tun, dass die Meldung: “Heute war ein ruhiger, sonniger Tag in Bagdad” weniger Nachrichtenwert besitzt als Berichte über grausame Terroranschläge oder Entführungen. Gerade im Fall des Iraks scheinen sich nämlich Journalisten und Kommentatoren grundsätzlich zu weigern, positive Entwicklungen überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. (Sehen Sie dazu auch meine älteren Blogeinträge hier und hier.) So berichtete in der letzten Woche General David Petraeus, der Kommandeur der Multi-National Force Iraq, dem amerikanischen Senat: ” The number of security incidents in Iraq last week was the lowest in over four years, and it appears that the week that ends tomorrow will see an even lower number of incidents.” Während die Terroristen der al-Qaida noch vor zwei Jahren größere Landstriche kontrollierten, fliehen deren Kämpfer gerade aus Mosul, der letzten größeren Stadt, in der sie Unterschlupf finden konnten. Die International Herald Tribune zitiert den amerikanischen Botschafter im Irak: “You are not going to hear me say that al-Qaida is defeated, but they’ve never been closer to defeat than they are now.” In der New York Times gibt William Kristol die Eindrücke eines amerikanischen Hubschrauberpiloten wieder, der bereits mehrfach im Irak eingesetzt und gerade eben erst wieder dort war – eine Stimme der Sorte also, die in europäischen Medien grundsätzlich keinerlei Beachtung findet:

“The biggest deal for me was the fact that even after we have pulled out thousands of U.S. and Iraqi troops, peace continues to hold in Anbar. In fact, I was shocked by two things when flying over Ramadi and Fallujah. First, the streetlights are back on. It is crazy to see Iraqi cities lit up completely, and since they are all on grid power now, you don’t see the crazy black/brown outs when you fly over and the generators pop like you would back in 2005/6. The power now seems to extend even into the suburbs and light industry on the edges of the major cities as well. Second, there are people, regular civilians, walking the streets at night. That was very unusual and got the visitor (me) laughed at when I told our terminal controller that I had personnel walking down a street on the radio.” Die zusammenfassende Einschätzung des Soldaten entspricht den Schilderungen von General Petraeus: “May has been ridiculously quiet everywhere.”

Auch die Aufstellung und Ausbildung irakischer Sicherheitskräfte scheint Fortschritte zu machen. Nazar Janabi vom Washington Institute for Near East Policy berichtete im April: “The recent military offensive in Basra was the first sizeable operation in which Iraqi government forces took the initiative to pursue armed groups in one of the country’s most politically charged regions.” Das Ergebnis dieser Offensive: “It forced the Mahdi Army and other previously ‘untouchable’ elements — prominent warlords, gang leaders, and key militia members — to back down.”

Diese Beispiele sollen nicht suggerieren, der Krieg im Irak sei vorbei und die Lage sei völlig problemlos. (“Ridiculously quiet” war der Mai immerhin nur, wenn man ihn mit viel blutigeren vergangenen Monaten vergleicht.) Sie stellen aber sehr wohl die gängige Rede vom “offenbar nicht zu gewinnenden” Krieg in Frage. Ob man die Invasion im Jahre 2003 befürwortete oder, wie Hoffman-Ostenhof, ablehnte, ist eine Sache. Eine andere ist aber, ob man heute seinen Haß auf die Politik George W. Bushs über alles andere stellt, hoffnungsvolle Entwicklungen als aussichtslos in Grund und Boden schreibt und mit dieser Ignoranz deutlich macht, dass einem die Realität im Irak in Wahrheit vollkommen egal ist. Soll die Zukunft des Landes nicht mindestens so grausam verlaufen, wie die letzten Jahrzehnte seiner Vergangenheit, so bleibt der irakischen Bevölkerung gar keine andere Wahl, als eben den Krieg zu gewinnen, dessen vermeintliche Aussichtslosigkeit bei so manchem Beobachter klammheimliche Freude auszulösen scheint.

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