Kriegstreiber mit reinstem Gewissen

Georg Hoffman-Ostenhof liest gerne den Economist. Letzten Sommer etwa fand er die britische Zeitschrift so toll, dass er in seinem profil-Kommentar zum 40. Jahrestags des Sechs-Tage-Krieges wörtliche Übersetzungen des entsprechenden Economist-Artikels als seine eigenen Gedanken veröffentlichte, natürlich ohne darauf hinzuweisen, woher sie tatsächlich kamen. Im aktuellen profil ist er wenigstens ehrlich genug, die Quelle seiner Gedanken anzugeben. Am 10. Juli untertitelte der Economist einen Text über den sich zuspitzenden Konflikt über das iranische Atomwaffenprogramm mit den Worten: “Be very afraid, please”. “Fürchtet Euch!” lautet also, wenig einfallsreich, der Titel des dieswöchigen Hoffmann-Ostenhof’schen Elaborats.

Interessant ist daran nicht, dass Genosse Lampe über die Möglichkeit eines immer wahrscheinlicheren Militärschlages gegen den Iran entsetzt ist. Noch Ende letzen Jahres war er ganz erfreut über die Veröffentlichung des National Intelligence Estimate, weil er, wie viele andere Kommentatoren auch, daraus zu lesen vermochte, dass die amerikanischen Geheimdienste behaupten würden, die Iraner würden gar nicht mehr an der Bombe basteln. Die Entwicklungen der letzten Wochen haben nämlich in ihm die Ahnung aufsteigen lassen, dass es möglicherweise doch zu dem von ihm vehement abgelehnten Präventivschlag kommen könnte. Interessant ist ebensowenig, dass Hoffman-Ostenhoff zwar pflichtschuldig über das nachvollziehbare israelische Gefühl einer existenziellen Bedrohung durch iranische Atomwaffen schreibt, seine Argumentation aber schließlich deutlich macht, dass ihm das in Wahrheit vollkomen egal ist.

Interessant ist vielmehr, zu welch unterschiedlichen Schlüssen das britische Magazin auf der einen und ein österreichischer Ex-Trotzkist auf der anderen Seite kommen. Der Economist ist, wie im Übrigen jeder klar denkende Mensch, über die Risiken eines Militärschlages gegen das iranische Atomwaffenprogramm besorgt. Doch weiß er auch ganz genau, dass das Bedrohungsszenario nicht durch seltsame Geheimdienste aus der Welt gebracht wird, sondern die Wahrscheinlichkeit eines Angriffs auf den Iran täglich zunimmt, solange so weitergewurschtelt wird, wie es bisher der Fall war. Die Schlussfolgerung des Economist lautete daher in einem Artikel Ende Juni: “Till now, the world has talked a lot and applied some modest sanctions to stop Iran’s dash to enrich uranium. It is time to apply much tougher ones, in the hope that it is not already too late.”

Im profil ist freilich nichts dergleichen zu lesen. Hoffman-Ostenhof hat vielmehr folgende Weisheit auf Lager: “Jedenfalls ist es höchste Zeit, dass die europäischen Regierungen ihre verlegene Zurückhaltung aufgeben. Sie müssen endlich offensiv klarmachen, dass sie die amerikanisch-israelischen Iran-Kriegspläne für einen gefährlichen Wahnsinn halten.” Aus diesen Sätzen spricht die Überzeugung, dass der einzige “gefährliche Wahnsinn” in der ganzen Angelegenheit nicht in Teheran, sondern in Washington und Jerusalem zu finden ist. So fordert er von den europäischen Staaten, genau das Bedrohungsszenario nachhaltig zu untergraben, das den Iran möglicherweise doch noch zu einem Einlenken führen und damit einen Krieg verhindern könnte.

Schon im Vorfeld des Irak-Krieges haben Hoffman-Ostenhof und Konsorten sowie die ungleich bedeutendere politische Achse Paris-Berlin-Moskau mit ihrem prinzipiellen Widerstand gegen jede militärische Drohung gegen den Irak dazu beigetragen, dass ein Krieg geführt wurde, der nicht hätte stattfinden müssen. Nun wiederholt sich, zumindest wenn es nach dem profil geht, die ganze Geschichte. Hoffman-Ostenhof fordert die europäischen Staaten letztlich zu einer Politik auf, die sicherstellt, dass jede Alternative zu einem israelischen Militärschlag chancenlos bleiben muss. Den Vorwurf der objektiven Kriegstreiberei würde er selbstverständlich zurückweisen. Denn die Kriegstreiberei, das weiß er noch aus seinen Zeiten bei der Gruppe Revolutionärer Marxisten, ist prinzipiell in den USA zu Hause.

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