Grundsätzlich empört

Das Muster sollte bereits hinlänglich bekannt sein: Sobald jemand im Westen es wagt, öffentlich auf die Gewalt und den Terror hinzuweisen, der heutzutage im Namen der “Religion des Friedens” ausgeübt wird, stellen aufgebrachte, in ihren religiösen Gefühlen verletzte Muslime ihre absolute Friedfertigkeit unter Beweis, indem sie “Tod den Ungläubigen!” rufen, Fahnen verbrennen, Niederlassungen westlicher Staaten angreifen und Prämien auf die Köpfe derer aussetzen, die sich der Gotteslästerung schuldig gemacht haben. Doch was passiert eigentlich, wenn öffentlich auf die Schönheit des Koran und die vielen positiven Aspekte hingewiesen wird, die daraus zu ziehen seien? Sie haben es vermutlich erraten: Wieder hallt ein Aufschrei der Empörung durch die islamische Welt.

Der Anlass für die aktuelle Welle der Zurschaustellung religiöser Beleidigtheit könnte absurder kaum sein. An der Universtät Haifa wurde im Rahmen eines Seminars über Entwicklungspsychologie in Zusammenarbeit mit dem israelischen Außenministerium das Projekt “Quranet” initiiert. Beduinische Studenten hatten Dr. Ofer Grosbard darauf aufmerksam gemacht, dass die von ihm gelehrten modernen psychologischen Konzepte bei der Arbeit mit Kindern aus muslimischen Familien nicht sonderlich hilfreich seien. Die Eltern würden die pädagogischen Konzepte als westlich und verteufelt betrachten und jede sinnvolle Arbeit verunmöglichen. Abhilfe könne allerdings geschaffen werden, indem zur Begründung dieser Konzepte Zitate aus dem Koran angeführt würden. Nach Ansicht Grosbards sei es nämlich sehr gut möglich, Koranstellen mit modernen pädagogischen Vorstellungen fruchtbar zu verknüpfen; Stellen, in denen die Menschen dazu aufgefordert werden, Verantwortung zu übernehmen und Respekt für den Anderen zu pflegen. Ein Ziel des Projekts besteht darin, im Bereich der Pädagogik zu einem besseren gegenseitigen Verständnis der westlichen und der islamischen Welt zu gelangen. Darüber hinaus soll ein Kontrapunkt zu denjenigen gesetzt werden, die den Koran zur Rechtfertigung von Gewalt und Terror verwenden.

Die Reaktion auf ein derart ungeheuerliches Vorhaben ließ nicht lange auf sich warten. Israel Today berichtet: “Muslims blast Israel for reading kindness into the Koran”. Ein hochrangiger saudischer Gelehrter beschwerte sich, durch die Konzentration auf die wenigen Zitate, in denen die menschliche Würde hervorgehoben werde, bekämen Muslime ein falsches Bild ihrer Religion präsentiert. Gulfnews zitiert den gleichen Gelehrten, der auf das “wahre” Problem hinweist: “We regard this denounced move as an attempt to create a generation of Muslims who understand the Quran in the way that Israel and US want after misinterpreting the verses of the Quran to serve Israeli Zionist projects in the world”.

Wie man’s also macht, macht man’s verkehrt: Wer etwa in Karrikaturen auf den unmenschlichen und gewalttätigen Charakter wichtiger Strömungen des zeitgenössischen Islam aufmerksam macht, kann sich in Polizeischutz begeben und am Besten gleich sein Testament verfassen. Wer hingegen im Koran Aufrufe zum gegenseitigen Respekt und zur Achtung der Menschenwürde zu finden vermag, der verzerrt den Islam im Interesse “zionistischer Projekte”.

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