Märchen erzählen und Juden töten

Im Standard erschien am 27. September eine Besprechung des kürzlich veröffentlichten Buches “Zwischen Gottesstaat und Demokratie“. Wenige Tage danach protestierte Dunja Larise, Mitherausgeberin dieses Handbuchs des politischen Islam in Österreich, der Rezensent habe das Buch entweder nicht gelesen oder es “aufgrund seiner eigenen ideologischen Vorurteile völlig missverstanden.” Darüber hinaus wies sie darauf hin, dass der Standard seinen Lesern nicht mitgeteilt habe, um wen es sich beim Verfasser des Verisses handelt: Der zum Islam konvertierte Baruch Wolski ist Aktivist des Kulturvereins Kanafani, benannt nach Ghassan Kanafani, dem, wie Larise betont, “extrem nationalistischen und antisemitischen palästinensischen Dichter” und Funktionär der Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP). In einem Leserbrief im heutigen Standard schwingt sich Wolski nun zum Verteidiger Kanafanis auf: Dieser sei “kein aktueller terroristischer Akteur, sondern eine historische Persönlichkeit, die als Künstler und Journalist, die er war, weit über Palästina hinaus große Anerkennung gefunden hat.” Ihn als Nationalisten und Antisemiten zu bezeichnen sei “ahistorisch und dumm.”

Um zu verstehen, warum Wolski und Konsorten ihren “antirassistischen” Verein nach Kanafani benannt haben, empfielt sich ein Blick in die 0-Nummer der Vereinszeitschrift. Dort ist folgende Huldigung zu finden: Kanafani “war ein vielseitiger Mensch. Er schrieb Romane, zahlreiche Kurzgeschichten, Erzählungen, Artikel und politische Analysen. Er malte, zeichnete und veröffentliche sogar ein Märchen, das er für seine Kinder geschrieben und illustriert hatte.” Über die politischen Aktivitäten Kanafanis wird vornehm geschwiegen. Zu lesen ist nur, dass der Märchenerzähler und Kinderfreund “für sein Engagement” mit dem Leben bezahlte. “Am 8.7.1972 detonierte eine in seinem Auto versteckte Bombe. Er starb im Alter von nur 36 Jahren.” Warum wurde er getötet? “Er starb, weil seine Feinde seine politische und intellektuelle Arbeit fürchteten.” Worin bestand nun aber sein “Engagement”, was war der Inhalt seiner “politischen Arbeit”?

Kanafanis erste politische Heimat war die “Bewegung der arabischen Nationalisten” (BAN), eine panarabisch-nationalistische Gruppierung, aus der später die PFLP hervorgehen sollte. Die politischen Parolen der BAN waren so einfach wie radikal. Ihr Slogan lautete “Einheit, Befreiung, Rache”, und um keine Unklarheiten aufkommen zu lassen, an wem Rache zu nehmen sei, propagierte die BAN ihre Ziele kurz und bündig: “Keine Grenzen und keine Juden!” In einer 1957 erschienenen Broschüre stellte die BAN klar: “Wir betrachten die Feindschaft zwischen uns und den Juden als eine historische Feindschaft, die Jahrhunderte zurückreicht. … Wir wissen, dass die Gefahr nicht nur von Israel ausgeht, sondern vom internationalen Judaismus, einschließlich seiner Millionen von Anhängern, seines politischen Kapitals und seines internationalen Einflusses.”

Obwohl einige der Führer der BAN einen politischen Schwenk nach links unternahmen und sich (wie die PFLP) als Marxisten-Leninisten betrachteten, blieb der Haß auf Juden eine Konstante ihres politischen Denkens. Über Kanafani schrieb der australische Militärhistoriker John Laffin: “Kanafani empfand mehr krankhaften Haß auf Juden als andere führende Terroristen.” So betonte Kanafani in einem Gespräch: “Wenn wir Juden töten müssen, um unser Ziel zu erreichen, werden wir Juden töten. Die Menschen sind auf eine dumme Art empfindlich, wenn es um ihr Leben geht.”

Derartige Empfindlichkeiten wollte sich Kanfanai nicht leisten, zumal sie seiner hauptberuflichen Tätigkeit im Wege gestanden wären. Als Sprecher der PFLP übernahm er öffentlich die Verantwortung für die Terroranschläge seiner Organisation, so zum Beispiel nach dem Massaker am israelischen Flughafen Lod, bei dem am 30. Mai 1972 26 Menschen getötet und 80 weitere verwundet wurden.

“Ahistorisch und dumm” ist es somit einzig, wenn Wolski zu bestreiten versucht, dass Kanfani ein glühender Nationalist und fanatischer Antisemit war. Dass ein Verein mit antirassistischem Anspruch ausgerechnet so jemanden als Vorbild und Namensgeber erwählt, sagt eigentlich schon alles über diese Form des Antirassismus.

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