Archive for November, 2008

Nachrichten, die es nicht in die Nachrichten schaffen (3)

Sunday, November 30th, 2008

Eine Geschichte, für die sich in Europa wohl kaum jemand interessiert: Im September 2004 reiste der irakische Parlamentsabgeordnete Mithal al-Alusi nach Israel und besuchte dort u.a. eine Konferenz über den Kampf gegen Terrorismus. Wieder zurück im Irak wurde er wegen “Kontaktes mit einem feindlichen Staat” angeklagt, ein Delikt, das gemäß eines alten Gesetzes mit der Todesstrafe zu ahnden wäre. Im Februar 2005 wurden bei einem Anschlag, der al-Alusi gegolten hat, zwei seiner Söhne und ein Bodyguard getötet. Im September 2008 nahm al-Alusi wieder an einer Antiterrorkonferenz in Israel teil. Daraufhin hob das irakische Parlament seine Immunität auf, um ihm wegen des erneuten “Feindkontaktes” den Prozeß machen zu können. Doch was nun passierte, ist in arabischen Staaten eine seltene Ausnahme: Eine irakische Zeitung veröffentlichte einen offenen Brief von 400 kurdischen und arabischen Intellektuellen, die ihre Solidarität mit al-Alusi bekundeten. Der Knalleffekt kam schließlich am vergangenen Montag, als der irakische Oberste Gerichtshof die Aufhebung von al-Alusis parlamentarischer Immunität für null und nichtig erklärte, weil gemäß der neuen irakischen Verfassung jeder Iraker Reisefreiheit genieße. Warum diese Geschichte ein weiteres gutes Zeichen dafür ist, dass der Irak sich zu einem rechtsstaatlichen, demokratischen Modellfall in der arabischen Welt entwickeln könnte, erläutert Thomas L. Friedman in der New York Times.

Wer ist schuld am Terror in Mubai?

Sunday, November 30th, 2008

Die Feuer im Taj-Mahal-Hotel in Mumbai sind kaum gelöscht und noch immer scheint nicht festzustehen, wie viele Menschen diesmal von islamistischen Terroristen getötet wurden. Das hindert die westliche Journaille jedoch nicht daran, erneut eines ihrer Glanzstücke zu vollführen: zu erklären, warum die Mörder die eigentlichen Opfer, die Ermordeten hingegen die wahren Schuldigen sind. Vorhang auf für eines der obszönsten Schauspiele, das die wundersame Medienwelt zu bieten hat.

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Österreich im Herbst (2)

Tuesday, November 18th, 2008

Vor wenigen Tagen habe ich an dieser Stelle auf einige Fälle hingewiesen, die sich in den letzten Monaten in Österreich ereignet haben. Der Titel “Österreich im Herbst” war natürlich eine Anspielung auf den so genannten Deutschen Herbst 1977, als unter dem Eindruck des Terrorismus der RAF und ihrer palästinensischen Verbündeten Grundrechte außer Kraft gesetzt sowie wesentliche politische Entscheidungen von Gremien getroffen wurden, die jeglicher verfassungsrechtlichen Grundlage entbehrten und keiner demokratischen Kontrolle unterlagen. Anders als in Deutschland bedarf es hierzulande für derart drastische Schritte keines inoffiziellen Ausnahmezustandes – die Normalität reicht anscheinend völlig aus. Teil 2 einer vermutlich noch lange nicht abgeschlossenen Fortsetzungsgeschichte.

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Syrische Propaganda im ORF

Friday, November 14th, 2008

Journalisten verstehen sich selbst in der Regel gerne als kritische Geister, deren Aufgabe es ist, im Interesse der Öffentlichkeit hinter die Kulissen der Macht zu blicken und den Mächtigen auf die Finger zu schauen. Wird etwa ein österreichischer Journalist von ausländischen Medien über politische Vorgänge hierzulande interviewt, so sieht er es nicht als seine Aufgabe an, die Verhältnisse schönzureden oder Regierungspropaganda in die Welt hinaus zu tragen. Würde man ihm unterstellen, dies zu tun, so wäre er mit Sicherheit empört und fühlte sich in seiner Berufsehre gekränkt – so zumindest in Ländern, in denen Meinungsfreiheit herrscht und unabhängige Medien erscheinen können, ohne staatlicher Zensur unterworfen zu sein. Nur selten kommt ihnen der Gedanke, dass die Situation in Diktaturen etwas anders aussieht. So kommt es dazu, dass im Ö1-Mittagsjournal ein syrischer Journalist interviewt wird und astreine Regierungspropaganda zum Besten geben kann, ohne dass den kritischen Geistern im ORF auch nur leise Zweifel kommen.

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Neuauflage als Farce

Tuesday, November 11th, 2008

In einem Kommentar im Standard begklagt sich Adelheid Wölfl, die Presse in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens würde sich vor den jeweiligen nationalen Karren spannen lassen und nicht über die Prozesse vor dem internationalen Tribunal in Den Haag berichten. “In Bosnien-Herzegowina, Serbien und im Kosovo”, so die Einschätzung Wölfls, “manipulieren Politiker bis heute mit Totenzahlen und der Verehrung von Kriegsverbrechern die öffentliche Meinung.” So zutreffend diese Aussage auch sein mag, zwei Dinge sind daran auffällig: Einerseits ist erstaunlich, dass in dieser Aufzählung Kroatien nicht einmal erwähnt wird, obwohl der Umgang der kroatischen Presse mit den Kriegen 1991ff. sich kaum in positiver Weise von dem der bosnischen, serbischen oder kosovarischen Medien unterscheidet. Andererseits wird Wölfls Urteil durch ihre eigene Berichterstattung über den Prozess gegen Radovan Karadzic in der gleichen Ausgabe des Standard regelrecht konterkariert.

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Österreich im Herbst

Tuesday, November 4th, 2008

In Österreich, bemerkte die liberale Politikerin Heide Schmidt einmal im Hinblick auf das hierzulande völlig fehlende Bewusstsein von grundlegenden Rechten und Rechtsstaatlichkeit, ließe sich heutzutage nicht einmal das Briefgeheimnis durchsetzen. Wie richtig sie mit dieser Einschätzung lag, lässt sich anhand einiger Ereignisse der letzten Monate demonstrieren. Ein Streifzug durch Österreich im Herbst.

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