Syrische Propaganda im ORF

Journalisten verstehen sich selbst in der Regel gerne als kritische Geister, deren Aufgabe es ist, im Interesse der Öffentlichkeit hinter die Kulissen der Macht zu blicken und den Mächtigen auf die Finger zu schauen. Wird etwa ein österreichischer Journalist von ausländischen Medien über politische Vorgänge hierzulande interviewt, so sieht er es nicht als seine Aufgabe an, die Verhältnisse schönzureden oder Regierungspropaganda in die Welt hinaus zu tragen. Würde man ihm unterstellen, dies zu tun, so wäre er mit Sicherheit empört und fühlte sich in seiner Berufsehre gekränkt – so zumindest in Ländern, in denen Meinungsfreiheit herrscht und unabhängige Medien erscheinen können, ohne staatlicher Zensur unterworfen zu sein. Nur selten kommt ihnen der Gedanke, dass die Situation in Diktaturen etwas anders aussieht. So kommt es dazu, dass im Ö1-Mittagsjournal ein syrischer Journalist interviewt wird und astreine Regierungspropaganda zum Besten geben kann, ohne dass den kritischen Geistern im ORF auch nur leise Zweifel kommen.

Syrien hofft auf Obama” lautete der Titel eines Beitrages, in dem es um eine möglicher Veränderung des Verhältnisses zwischen der Diktatur Baschar al-Assads und den Vereinigten Staaten ging. Darin gab Ziad Haidar, Auslandsredakteur der syrischen Tageszeitung al-Watan, seiner Hoffnung Ausdruck, dass die Eiszeit zwischen Washington und Damaskus dem Ende zugehen könnte. Der Druck des Westens, so Haidar, habe die Hardliner des Regimes gestärkt und Reformen verunmöglicht. “Druck von außen wirkt sich immer auch innenpolitisch aus. In Syrien wurde jeglicher Ansatz von politischen Reformen dadurch gestoppt. Die Regierung fürchtet, ausländische Kräfte könnten Syriens Sicherheit und Stabilität gefährden. Denn wir sind umgeben von Konflikten, die sich auf Syrien übertragen könnten.”

Diese Sätze machen deutlich, warum Haidar in Syrien als Journalist arbeiten kann: Die politische Führung kann sich darauf verlassen, dass er westlichen Medien gegenüber gehorsamst die Linie des Regimes vertritt. Denn dieses hält sich seit Jahrzehnten mit der Behauptung an der Macht, dass angesichts der Vielzahl übler ausländischer Feinde – allen voran Israel und die USA – an Reformen im Lande nicht zu denken sei. Die katastrophale wirtschaftliche Situation, das Fehlen jeglicher politischer und sonstiger Freiheiten, die Verfolgung von Oppositionellen, die ungeheure Korruption, all das wurde und wird mit dem Argument vom Tisch gefegt, dass Syrien sich fortwährend gegen Aggressionen aus dem Ausland zur Wehr setzen müsse. An wirtschaftliche oder politische Reformen sei in so einer Situation nicht zu denken, und wer solche Reformen fordere, der sei ein Verräter im Dienste der Imperialisten/Zionisten.

Das Regime fürchtet daher auch nicht, dass “ausländische Kräfte” die Stabilität des Landes gefährden könnten – genau der Verweis auf die sinistren Aktivitäten “ausländischer Kräfte” ist die Trumpfkarte, mit der sich das Regime am Leben erhält und jegliche Veränderung unterbindet. Ebenso grotesk ist Haidars Aussage, Konflikte in der Region könnten auf Syrien übergreifen. Nicht dass im Nahe Osten ein Mangel an Konflikten herrschen würde, doch ist Syrien nicht potentielles Opfer dieser Auseinandersetzungen, sondern trägt seit Jahrzehnten maßgeblich dazu bei, in seiner Nachbarschaft Auseinandersetzungen hervorzurufen bzw. zu prolongieren. Fouad Ajami bemerkte dazu treffend: “Syria’s main asset, in contrast to Egypt’s preeminence and Saudi wealth, is its capacity for mischief”. Syrien ist, neben dem Iran, Hauptunterstützer der Terroristen im Irak. Sein ungemindertes Verlangen nach Kontrolle über den Libanon hat wesentlich zu den Konflikten in der Zedernrepublik beigetragen. Der Kriegszustand mit Israel hätte schon vor Jahren durch einen Friedensvertrag beendet werden können, wenn Assad senior nicht im letzten Moment beschlossen hätte, dass ein solcher Friede (inklusive der Rückgabe des Golan) das Überleben seines Regimes gefährden würde. Und dass der israelisch-palästinensische Konflikt nicht schon lange Geschichte ist, hat nicht zuletzt mit Syriens Absicht zu tun, jede Chance auf Frieden zu torpedieren. Zugegeben: Syrien hat Feinde, aber diese Feindschaft ist nicht Ursache, sondern Folge der radikalen Politik der syrischen Diktatur.

“Sollte die zukünftige (amerikanische) Regierung sich für Stabilität einsetzen – und zwar nicht nur im eigenen Interesse, sondern auch im Interesse anderer – dann wird sich Syrien weniger Sorgen um seine innere Sicherheit machen müssen. Dann kann es effektiver gegen Terrorismus kämpfen und auch wieder an politische Reformen denken.” Wie bitte? Syrien kann nicht gegen Terrorismus vorgehen, weil andere Mächte die Region destabilisieren? Die perfekte Verdrehung der Realität, die eine der Grundlagen der syrischen Ideologie darstellt, lässt sich an diesen Sätzen des Interviews verdeutlichen. Das Regime in Damaskus denkt gar nicht daran, Terrorismus zu bekämpfen, sondern gehört nach wie vor zu dessen staatlichen Hauptförderern. Vom Irak war schon die Rede, doch das ist noch lange nicht alles. Syrien unterstützt die Hisbollah und versucht seit Jahren, durch gezielte Attentate die anti-syrischen Kräfte im Libanon zu schwächen. Darüber hinaus unterstützt es die palästinensischen Gruppierungen Hamas und Islamischer Dschihad (beide haben ihr Hauptquartier in Damaskus). Kein anderer Staat der Welt (mit Ausnahme des Iran) hat auf diese Weise über Jahrzehnte hinweg Terrorismus als billiges und vor allem relativ risikofreies Mittel seiner Außenpolitik eingesetzt. Anders als Libyen und der Iran, die internationale Sanktionen erleiden mussten, wurde Syrien für seine Terrorunterstützung nie zur Verantwortung gezogen.

Nun zu behaupten, das alles würde sich ändern, wenn bloß der internationale Druck auf Syrien nachließe, steht einem journalistischen Handlanger der syrischen Diktatur gut zu Gesicht, hat mit der Realität aber nichts zu tun. Warum das so ist, wäre beispielsweise den Büchern Barry Rubins (hier und hier) zu entnehmen. Den Journalisten des ORF würde es nicht schaden, sich das zu Gemüte zu führen, bevor sie sich wieder zum Sprachrohr blanker Propaganda machen.

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