Wer ist schuld am Terror in Mubai?

Die Feuer im Taj-Mahal-Hotel in Mumbai sind kaum gelöscht und noch immer scheint nicht festzustehen, wie viele Menschen diesmal von islamistischen Terroristen getötet wurden. Das hindert die westliche Journaille jedoch nicht daran, erneut eines ihrer Glanzstücke zu vollführen: zu erklären, warum die Mörder die eigentlichen Opfer, die Ermordeten hingegen die wahren Schuldigen sind. Vorhang auf für eines der obszönsten Schauspiele, das die wundersame Medienwelt zu bieten hat.

Das Muster ist hinlänglich bekannt: Sprengten Palästinenser in Israel Supermärkte oder Linienbusse in die Luft, so wurde das als Aufruf an die Welt verstanden, nicht länger über die “israelische Besatzung” und das “Leid der Palästinenser” hinwegzusehen. Ermordeten die Attentäter von New York und Washington knapp dreitausend Menschen, so bestand kein Mangel an Kommentatoren, welche die amerikanische Außenpolitik als “Wurzel des Terrors” zu identifizieren vermochten. Kein Wunder also, dass beispielsweise die taz schon ganz genau weiß, was die Konsequenz des Massenmordes von Mumbai sein müsse: “Der Staat darf bei Gewalt gegen indische Muslime nicht mehr weggucken.”

Denn das “eigentliche Problem” ist natürlich nicht die mörderische islamistische Ideologie, der die Attentäter anhingen, sondern der “Eindruck dessen, was fanatische Hindus in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten Muslimen angetan haben.” So wimmelt es im Folgenden nur von “Hinduextremisten”, “fanatischen Hindugruppen” und “bewaffnete(n) Hindufanatiker(n)”. Gewiss, der taz-Kommentator kann nicht ganz übergehen, dass es Muslime waren, die gerade ein außerordentliches Massaker veranstaltet haben, und verurteilt deren Taten auch pflichtschuldig: “Die Attentatsserie von Bombay ist zutiefst abscheulich.” Doch man kann sich darauf verlassen, dass das “aber” auf dem Fuße folgt: “Doch Indiens Regierung sollte endlich erkennen, dass einige wenige der 140 Millionen Muslime Indiens zum Äußersten bereit sind.” Wie gut, dass es die taz gibt, die der Regierung eines Landes, in dem allein in diesem Jahr bereits mehrere hundert Menschen von Islamisten massakriert wurden, so wertvolle Ratschläge erteilen kann; wie schön darüber hinaus, dass es sich glücklicherweise nur um “eine wenige Muslime” handelt, die sich ihrer Frustrationen nur mit Maschinenpistolen und Handgranaten erwehren können.

Dass es sich beim Blutbad von Mumbai in Wahrheit um einen Schrei nach Liebe handeln musste, ist auch dem renommierten Newsweek-Journalisten Fareed Zakaria aufgefallen: “One of the untold stories of India is that the Muslim population has not shared in the boom the country has enjoyed over the last ten years. There is still a lot of institutional discrimination, and many remain persecuted.” Das Problem dabei ist, dass es weltweit viele Fälle von unterdrückten Minderheiten gibt. Mit Sicherheit werden etwa christliche Kopten in Ägypten und Bahai im Iran diskriminiert oder verfolgt. Aber laufen deshalb christliche Killertrupps durch Kairo? Haben Sie schon einmal von bahaiistischen Mordkommandos gehört, die Teheran terrorisieren? Oder könnte das Fehlen derartiger Ereignisse nicht vielleicht eher damit erklärt werden, dass es weder Kopten noch Bahai gibt, die davon überzeugt sind, ein gottgefälliges Leben könne nur führen, wer möglichst spektakulär Ungläubige niedermetzelt? Abe Greenwald bemerkt dazu auf contentions lakonisch: “Islamic terrorists don’t need a regional excuse; Western journalists do.”

Interessant wird in den nächsten Tagen, wie diejenigen, die angesichts islamistischer Massaker reflexartig das Lied von den unterdrückten Muslimen anstimmen, uns erläutern werden, was bitteschön die Chabad-Chassidim in Mumbai damit zu tun haben sollen. Und wer wird wohl der Erste sein, der den israelisch-palästinensischen Konflikt als Ursache des Terrors von Mumbai identifiziert?

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