Seltsame Ausgewogenheit

Nachdem bereits vor einer Woche der Standard über die Welle des Antisemitsmus berichtet hat, die im Zuge des Krieges gegen die Hamas auch Österreich erfasst und sich unter anderem in über zwanzig antisemitischen Demonstrationen niedergeschlagen hat, geht auch das dieswöchige profil auf die österreichischen Reaktionen auf den Krieg ein. Auffällig ist an diesen zwei Artikeln, dass sich die Autoren eine seltsame Form von Ausgewogenheit zu Eigen gemacht haben.

Im Fall des Standard (“Die Flaggen brennen, die Seele kocht”) war der Bericht mit den Worten “Wut, Angst und Mitgefühl: Wie Österreichs Muslime und Juden den Nahost-Konflikt erleben” untertitelt. Was folgte, war eine Sammlung antisemtischer Ausfälle, die jedem Nazi oder Islamisten das Herz höher schlagen lassen; nach Stellungnahmen österreichischer Juden, ähnlich hasserfüllten zumal,  sucht man im gesamten Text vergeblich. Im aktuelleren profil-Artikel ist zu lesen: “Auch zwischen der Islamischen Glaubensgemeinschaft und der Israelitischen Kultusgemeinde, deren Bewachung in diesen Tagen massiv verstärkt werden musste, herrscht Krieg.” Im Anschluss daran geht es um die Hetztiraden Adnan Ibrahims und um den haarsträubenden Unsinn, den so mancher Hamas-freundliche “Experte” in den letzten Wochen im ORF von sich gegeben durfte.

Nun ist nicht zu bestreiten, dass die angeblichen Freunde der Palästinenser in diesen Tagen völlig durchdrehen und sich auf eine Art und Weise aufführen, dass sich die so beliebte Diskussion über die Frage, ob jede “Kritik” an Israel antisemitisch sei, schlicht erübrigt. Warum aber fühlen sich österreichische Journalisten bemüßigt, in dieser Situation den Eindruck zu erwecken, “beide Seiten” würden durch den Krieg radikalisiert? In den Straßen Wien brannten in den vergangenen Wochen ausschließlich israelische und amerikanische Flaggen. Die Seele kocht einzig bei den Vertretern der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) und den antiimperialistischen Spinnern, die Seite an Seite antisemitische Aufläufe organisieren. Ebenso ist die Behauptung, zwischen der IGGiÖ und der Kultusgemeinde “herrsche Krieg”, eine grobe Verzerrung der Tatsachen: Es sind die Herren Schakfeh und Ibrahim, die, nicht zum ersten Mal, verbal Amok laufen, während IKG-Präsident Muzicant lediglich die Selbstverständlichkeit zu Protokoll gegeben hat, dass ein Rabbiner, der in einem jüdischen Gemeindehaus Hetze á la Ibrahim verbreiten würde, sofort seinen Job los wäre.

Es mag zu den Qualitäten guter journalistischer Arbeit gehören, sich um Ausgewogenheit zu bemühen. Wenn dabei allerdings der Eindruck erweckt wird, als stünden sich “beide Seiten” in nichts nach, dann wird eine Balanciertheit herbeigeschrieben, die in der Realität keine Entsprechung findet.

Comments are closed.