Bilder aus Hamastan

Sollten Sie gestern Abend die auf arte ausgestrahlte Dokumentation Inside Hamas versäumt haben, so kann ich Ihnen nur empfehlen, sich die Sendung im Internet anzusehen. Denn hier ist zu sehen, was im westlichen Fernsehen nur selten gezeigt wird: Aufnahmen vom Alltag der Palästinenser im Gazastreifen vor dem jüngsten Krieg, in denen deutlich wird, dass die ehemals populäre “Widerstandsorganisation” sich, nachdem sie sich an die Macht geputscht hat, zu einer Herrschaft bewaffneter Banden entwickelt hat, die buchstäblich nichts auf die Reihe kriegt, außer die eigene Bevölkerung zu terrorisieren und bei Gedenkveranstaltungen für ihre “Märtyrer” darüber zu schwadronieren, dass die gesamte Region vom “jüdischen Unrat” befreit werden müsse.

Auch wenn der Schluss nicht explizit gezogen wird, wird darüber hinaus deutlich, warum die Hamas sich Ende Dezember gegen eine Verlängerung des Waffenstillstandes mit Israel entschieden hat. Nachdem sie sich als chronisch unfähig erwiesen hat, auch nur irgendetwas zur Verbesserung der Lebenssituation der Menschen im Gazastreifen beizutragen und mit immer lauter werden Protesten gegen ihre zunehmend gewalttätige Herrschaft konfrontiert war, ist sie dem Beispiel anderer arabischer Regimes gefolgt, die von der eigenen Nichtsnutzigkeit ablenkten, indem sie den Konflikt mit Israel eskalierten. Wenn die Alternative lautete, sich das eigene vollkommene Scheitern einzugestehen oder einen Krieg zu provozieren, dann hat die Hamas deutlich gemacht, welchen Weg sie bevorzugt. (Dies mag vor allem den Kadern der Islamisten auch einen erheblichen psychischen Gewinn gebracht haben. Vom Iran und der Hisbollah darin ausgebildet, Terrorangriffe gegen Israel zu unternehmen, sahen sie sich nach der Machtergreifung der Hamas dazu genötigt, so banale Dinge zu tun, wie in Gaza-Stadt den Verkehr zu regeln. Dabei kann man zwar sicherlich auch zu Tode kommen, aber was ist das schon im Vergleich zum ersehnten “Märtyrertum”?)

Dass sie damit auch noch einen politischen Kollateralnutzen erzielen könnte, etwa indem in Europa die Rufe nach einer “Einbeziehung” der Hamas in einen wie auch immer gearteten “Friedensprozess” lauter werden, gehört zur besonderen Tragik der Situation. Dieser möglichen internationalen Aufwertung widerspricht freilich, dass in der Region, anders als nach dem Krieg gegen die Hisbollah im Sommer 2006, dieses Mal kaum jemand der Propaganda vom “glorreichen Sieg” gegen Israel glaubt.

Eine Bemerkung noch zum oftmals erwähnten “demokratischen” Wahlsieg der Hamas: In jedem politikwissenschaftlichen Grundkurs wird gelehrt, dass sich der demokratische Charakter eines Systems weniger daran bemessen lässt, ob eine Partei durch eine Wahl an die Macht gelangen kann, als vielmehr daran, ob sie beim nächsten Urnengang auch wieder abgewählt werden kann. Und an diesem Punkt ist eine ganz einfache Frage zu stellen: Glaubt denn irgendwer, zumal jemand, der die Bilder der arte-Dokumentation gesehen hat, dass die Hamas im Gazastreifen jemals wieder freie Wahlen zulassen wird, an der auch andere Parteien ungehindert teilnehmen können?

Update, 22.01.: Inside Hamas ist in englischer Sprache hier zu finden. (Dank nach Chicago für diesen Hinweis!)

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