Gelungene Integration

Seit die Ergebnisse einer Umfrage unter islamischen Religionslehrern in Österreich bekannt wurden, wächst der Druck auf die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) und deren Präsidenten, Anas Schakfeh. Knapp 22 Prozent der Befragten gaben an, die Demokratie abzulehnen, weil sie nicht mit dem Islam zu vereinbaren sei, über 18 Prozent äußerten Verständnis für die Ermordung von Menschen, die vom Islam abfallen würden, und über 28 Prozent orteten Widersprüche zwischen ihrer islamischen und ihrer europäischen Identität. Als jetzt auch noch bekannt wurde, dass in einem vom Schakfeh bearbeiteten islamischen Volksschulbuch die Kinder gelehrt bekommen, dass Moslems, die “auf dem Weg Allahs” sterben, als Märtyrer mit dem Paradies belohnt würden, hagelt es Proteste und Rücktrittsforderungen selbst von jenen, die bislang Kritik am Islam generell unter Rassismusverdacht gestellt haben.

Die IGGiÖ reagiert auf die neuen Vorwürfe, wie sie es in der Vergangenheit schon immer getan hat: Sie weist jede Verantwortung von sich und beklagt sich über Diffamierungen und mediale Hetze. Jüngstes Beispiel dafür ist ein Interview mit Schakfeh in der aktuellen Printausgabe des profil, in dem einmal mehr deutlich wird, wie der Präsident der Glaubensgemeinschaft tickt. So wird Schakfeh gefragt, ob ihm etwas Negatives im Islamunterricht aufgefallen sei, und antwortet: “Wir hatten keine Hinweise auf irgendetwas Negatives. Wir haben ja auch die Befragung gestattet, weil wir von unseren Lehrern überzeugt sind.” Das heißt freilich im Umkehrschluss: Hätte die IGGiÖ gewusst, was für Ergebnisse die Umfrage liefern würde, hätte sie nicht durchgeführt werden dürfen. Aus heutiger Sicht sieht Schakfeh das durchaus kritisch: “Wir haben uns damals in die Fragestellung nicht eingemischt. Im Nachhinein gesehen war das vielleicht falsch, denn einige Formulierungen verleiten zu irritierenden Antworten.” Es wäre wirklich interessant, zu erfahren, wie die Frage nach der Zustimmung zur Ermordung von Apostaten gestellt werden hätte sollen, um keine “irritierenden Antworten” zu Tage zu fördern, aber das ist nicht das Wesentliche. Entscheidend ist vielmehr, dass der Präsident der Glaubensgemeinschaft nach dem einfachen Motto verfährt: Wenn die Antworten der Religionslehrer Sie verängstigen, dann sollten Sie aufhören, beängstigende Fragen zu stellen.

Schakfeh gibt offen zu, seit dem letzten Sommer über die Ergebnisse der Studie unterrichtet gewesen zu sein, außerdem sei schon vor einigen Wochen darüber berichtet worden, “aber damals hat sich niemand aufgeregt.” Wieder zeigt sich das Muster, nach dem die IGGiÖ mit Problemen umgeht: Dass zumindest ein Fünftel der islamischen Religionslehrer Islamisten sind und rund ein Drittel weder über eine theologische noch pädagogische Ausbildung verfügt, ist kein Anlass zur Sorge, solange das einer breiteren Öffentlichkeit nicht bekannt ist. Bis es soweit ist, stellt man sich dumm und schaut, ob man damit durchkommt.

Danach gefragt, ob die Lobpreisung des “Märtyrertums auf dem Weg Allahs” ein adäquater Lehrstoff für Volksschüler ist, antwortet Schakfeh: “Es geht um die Geschichte, um die Belagerung von Medina und wie die ersten verfolgten Moslems starben – als Märtyrer, wie auch die ersten Christen.” Auch die Illustration im Buch, die stark an das bekannte Foto “Death of a Loyalist Soldier” aus dem Spanischen Bürgerkrieg erinnert, sei unbedenklich: “Es gibt keine Grausamkeit, sondern es zeigt jemanden, der im Kampf getroffen wird und stirbt.” Ein Kämpfer, an dessen Gürtel Handgranaten baumeln und der ein Gewehr mit sich trägt, soll also die “ersten verfolgten Moslems” vor 1300 Jahren darstellen?

Aufschlussreich ist Schakfehs Antwort auf den Vorwurf, er selbst und andere hohe Funktionäre der IGGiÖ seien Mitglieder der islamistischen Moslembruderschaft. “In Syrien [von wo Schakfeh kommt, Anm. F.M.] steht auf die Mitgliedschaft bei dieser Partei die Todesstrafe, und ich war nie Mitglied irgendeiner Partei.” Das mag schon stimmen, nur ist das Problem, dass die Moslembruderschaft in Österreich nicht als Partei, sondern in inoffiziellen, informellen Strukturen organisiert ist. Fakt ist jedenfalls, dass etwa das bekannte Buch “Erlaubtes und Verbotenes im Islam” des wohl einflussreichsten Predigers der Moslembrüder, Yusuf al-Qaradawi, jahrelang im Rahmen der Schulbuchaktion als Unterrichtsmittel für den islamischen Religionsunterricht in Österreich bestellt wurde. (Sehen Sie hierzu den auch online verfügbaren Artikel über die Förderung von Islamisten durch die Glaubensgemeinschaft aus dem aktuellen profil.) Der Vorwurf, in der Führung der IGGiÖ säßen Moslembrüder, ist in der Vergangenheit immer wieder formuliert worden. Meines Wissens sind dagegen von den Betroffenen bislang nie rechtliche Schritte unternommen worden. Auch Schakfehs Antwort ist bestenfalls ausweichend. Ein glaubwürdiges Dementi sieht jedenfalls anders aus.

Eine Perle ist schließlich die folgende Behauptung Schakfehs: “Wir sind die demokratischste Religionsgemeinschaft in Österreich” – ein wahrer Brüller angesichts der Tatsache, dass von den rund 400.000 Moslems in Österreich höchstens ein Prozent (!) an den letzten Wahlen innerhalb der IGGiÖ teilgenommen haben und verschiedene Gruppen, wie die Alewiten, in ihr überhaupt nicht vertreten sind. Im “Handbuch des politischen Islam” ist zu lesen: “Die Mitgliederzahl der Islamischen Glaubensgemeinschaft ist offiziell nicht bekannt, da die IGGiÖ keine genauen Zahlen veröffentlicht. ExpertInnen und ProtagonistInnen innerhalb und außerhalb der IGGiÖ nannten uns gegenüber als hauptsächlichen Grund dafür, dass durch deren Bekanntgabe die geringe Mitgliederzahl der IGGiÖ deutlich würde. Diese sei eigentlich so gering, dass die IGGiÖ ihre rechtliche Legitimation zur Vertretung der Muslime in Österreich verlieren könnte.” Vielleicht handelt es sich bei Schakfehs Behauptung aber auch nur um ein Kommunikationsproblem. Denn dieser arbeitet nebenberuflich als Konsulent für die saudi-arabische Botschaft, und es wäre ja durchaus möglich, dass seine Vorstellung von Demokratie ungefähr derjenigen entspricht, die auch von den besonders “demokratischen” Machthabern in Saudi-Arabien gepflegt wird.

Entgegen so mancher in den letzten Tagen laut gewordener Kritik sehe ich in den aktuellen Diskussionen über Schakfeh und die IGGiÖ kein Beispiel für eine misslungene Integration der Muslime in Österreich. Ganz im Gegenteil. Offensichtliche Dinge so lange zu leugnen, wie es nur irgend möglich ist, nur das zuzugeben, was schlechterdings nicht mehr bestreitbar ist, zur Selbstverteidigung haarsträubenden Unsinn von sich zu geben und jegliche Verantwortung von sich zu weisen, mag alles Mögliche sein, aber eines ist es mit Sicherheit: durch und durch österreichisch. Oder können Sie sich daran erinnern, wann hierzulande zum letzten Mal beispielsweise ein Politiker zurückgetreten ist, um die politische Verantwortung für eigene Fehler zu übernehmen?

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