Keine Chance für den Frieden?

Möglicherweise wird der nächste israelische Außenminister Avigdor Lieberman heißen. Dass damit jemand eine wichtige Funktion übernehmen könnte, der nicht gerade als Vertreter von Peace Now gilt, sorgt für Aufregung. Die Europäische Union ist “besorgt” und Javier Solana richtet mahnende Worte an Israel. Zweierlei ist daran seltsam: Einerseits soll es auf palästinensischer Seite gerüchteweise schon öfter vorgekommen sein, dass wichtige Funktionsträger nicht zu den glühendsten Friedensfreunden gehörten. Das freilich stört die EU nicht, findet sie es doch beispielsweise ganz toll, dass die verfeindeten Gruppen Fatah und Hamas gerade wieder über die Bildung einer palästinensischen Einheitsregierung verhandeln. Wie die Jerusalem Post berichtet, stehen diese Gespräche knapp vor dem Scheitern, weil die Islamisten die an sie gestellten Forderungen (Anerkennung Israels sowie der bisherigen Abkommen) vollkommen unmöglich finden. Andererseits ist bemerkenswert, was im Falle Liebermans nicht zu hören ist. Das müsste im konkreten Fall ungefähr so klingen: “Frieden kann man eben nur mit seinen Feinden schließen. Die Einbindung Liebermans ist eine große Chance, weil die Übernahme von Regierungsverantwortung zu seiner Mäßigung führen wird. Seine weitere Ausgrenzung würde nur die moderaten Kräfte schwächen und den Extremisten Zulauf verschaffen. Man muss die Ergebnisse einer demokratischen Wahl eben auch akzeptieren, wenn man sich ein anderes Resultat erhofft hat.”

Wenn Sie der Meinung sind, das klingt bescheuert, dann kann ich Ihnen nur beipflichten. Weisheiten genau dieser Art sind aber sofort zu vernehmen, wenn es nicht um einen gerne mal als “rechtsextrem” oder “faschistisch” titulierten israelischen Politiker geht, sondern um die Hamas im Gazastreifen. Nicht weniger fragwürdig ist es allerdings, wenn Javier Solana jetzt ankündigt, die EU könne nur mit einer israelischen Regierung dann so wie bisher kooperieren, wenn diese auf eine Zwei-Staaten-Lösung hinarbeite und vom schwedischen Außenminister sekundiert wird, man erwarte eben von Palästinensern und Israelis gleichermaßen ein Bekenntnis zur Zwei-Staaten-Lösung: “Wir haben den gleichen Standard für alle, und dies ist Teil der Standards, die wir an Regierungen in dieser speziellen Region anlegen”.

Der werte Minister hat also gleiche Standards für alle und noch gleichere Standards in dieser “speziellen Region”. Kleine Nebenbemerkung am Rande: Am Nachmittag lautete die Überschrift dieses Artikels im Online-Standard noch: “Brüssel fordert von Israel Bekenntnis zum Friedensprozess”. Dann scheint man aber gefühlt zu haben, dass ein bisschen härtere Worte durchaus angebracht wären. Und so ist am Abend über dem gleichen Artikel zu lesen: “EU warnt Netanyahu vor Abkehr vom Friedensprozess”. Wie dem auch sei, über kurz oder lang wird es eine israelische Regierung geben, der diese Forderung/Warnung übermittelt werden kann. Aber sprach der schwedische Außenminister nicht im Plural von “Regierungen”, denen die “gleichen Standards” abverlangt würden? Wen meinte er damit wohl auf palästinensischer Seite? Den erklärten Liebling des Westens Abbas, der von der Hamas gar nicht mehr als Präsident akzeptiert wird, weil seine Amtszeit schon abgelaufen ist? Die nur mehr interimistisch agierende “Regierung” der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) unter Führung des zurückgetretenen Premiers Fayad? Oder die Hamas-“Regierung” im Gazastreifen? Und wie kommt es, dass all das einfach unter den Begriff “Regierungen” subsumiert wird, egal ob es sich dabei um die Regierung eines demokratischen Staates, um eine Behörde wie die PA, die hinlänglich unter Beweis gestellt hat, dass mit ihr kein Staat zu machen ist, oder um eine Terrororganisation wie die Hamas handelt? Doppelte Standards wendet nicht nur an, wer gleiche Dinge ungleich behandelt, sondern auch, wer ungleiche Dinge nach gleichen Maßstäben beurteilt.

Einer hat jedenfalls seinen Humor noch nicht verloren: Außenminister Spindelegger erwartet von Israel, “dass man sich zu dem bekennt, was Sache ist im Nahen Osten. Das heißt ein Friedensprozess und eine Zwei-Staaten-Lösung”. Denn “was Sache ist im Nahen Osten”, dass bestimmt bitte immer noch der österreichische Außenminister und nicht die schnöde Realität vor Ort. Deshalb ist auch unerheblich, dass von einem Friedensprozess kaum die Rede sein kann und selbst unerschütterliche Optimisten langsam aber sicher an der Möglichkeit einer Zwei-Staaten-Lösung zu zweifeln beginnen.

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