Barack Carter und Jimmy Obama in Teheran

Mehr als ein halbes Jahr ist vergangen, seit Barack Obama seinen Amtseid abgelegt hat, und schön langsam kann man versuchen, sich jenseits all seiner “historischen Reden” (darunter macht er’s nicht) ein Bild von der Politik des 44. US-Präsidenten zu machen. Auf außenpolitischem Gebiet drängt sich dabei nicht nur Arthur Herman der Vergleich mit Nummer 39 auf, einem gewissen Jimmy Carter. Auch der wurde nämlich zu einer Zeit ins Amt gewählt, als das Image der Vereinigten Staaten weltweit als einigermaßen ramponiert galt, und von ihm könnte auch das Skript stammen, an das Obama sich bislang zu halten scheint: Die Sympathien der Welt könnten demnach nur mittels einer Politik zurückgewonnen werden, die die Feinde der USA und des Westens umgarnt, während sie gleichzeitig verbündete Staaten vor den Kopf stößt.

Die Erinnerungen an Carters Präsidentschaft sind freilich alles andere als rosig. Für seinen größten Erfolg, das Camp David-Friedensabkommen zwischen Israel und Ägypten, konnte er wenig: “The truth is that Mr. Carter never wanted an Egyptian-Israeli agreement, fought hard against it, and only agreed to go along with the process when it became clear that the rest of his foreign policy was in a shambles and he desperately needed to log a success.” Carter wollte gar keine bilateralen Friedensschlüsse erreichen, weil er davon überzeugt war, dass nur durch ein umfassendes Abkommen Frieden geschaffen werden könne, das nicht nur von Israel und den arabischen Staaten, sondern auch von der Sowjetunion mitverhandelt werden müsse. Der dramatische Besuch Sadats in Jerusalem im November 1977 traf ihn völlig unvorbereitet. Selbst dreißig Jahre danach scheint Carter dem ägyptischen Präsidenten nicht verziehen zu haben, dass damit sein Wunsch nach einem “umfassenden” Abkommen in weite Ferne gerückt war. In einer seiner anti-israelischen Propagandaschriften bemerkt er dazu: “It appeared that the only permanent result of Sadat’s move was an end to any prospect for an international peace conference involving the Soviets.” Freimütig gibt Carter auch zu, dass seine Einladung Begins und Sadats nach Camp David ein “Akt der Verzweiflung” war.

Dem unerwarteten Erfolg dieser Verhandlungen stand allerdings eine ganze Reihe außenpolitischer Rückschläge entgegen, darunter die Machtergreifung der Sandinisten in Nicaragua oder die Invasion Afghanistans durch die Sowjetunion 1979. (Von einem weiteren Desaster im selben Jahr wird noch die Rede sein.) Zusammen mit seiner bescheidenen innenpolitischen Performance führte das dazu, dass Carter es als erster amtierender US-Präsident seit über 100 Jahren schaffte, nicht wiedergewählt zu werden. Das hinderte ihn allerdings nicht daran, sich weiter als begnadeten Außenpolitiker zu sehen, der, vor allem in Sachen Naher Osten, zu Höherem berufen ist. Deshalb verfasst er Bücher voll von faktischen Fehlern und böswilligen Verzerrungen, in denen er aus Israel einen Apartheidstaat macht, beschwert sich, wie alle, die solchen Unsinn glauben, über die Macht der “jüdischen Lobby” und trifft sich mit der Führung der Hamas, der man, davon ist er überzeugt, vollkommen vertrauen könne. Kurz: Carter ist Amerikas “worst ex-president“.

Barack Obama hat sich dieser Tage mit einem Problem herumzuschlagen, an dessen Entstehung Jimmy Carter zumindest nicht ganz unbeteiligt war. Dieser begab sich nämlich einst zum Jahreswechsel 1977/78 auf Staatsbesuch in den Iran zum guten Verbündeten der USA, dem Schah. Der hatte es zwar nicht so mit der Achtung jener Menschenrechte, die Carter zum Eckpfeiler seiner Außenpolitik machen wollte, wurde von ihm aber nichtsdestotrotz in den höchsten Tönen gepriesen. Carters unvergessene Worte: “Iran, because of the great leadership of the Shah, is an island of stability in one of the more troubled areas of the world. This is a great tribute to you, Your Majesty, and to your leadership and the respect and the admiration and love which your people give to you.” Als die Liebe und die Verehrung, die das Volk dem Schah angeblich entgegenbrachten, im Laufe des Jahres sichtlich zu schwinden begannen, erklärte Carter den Machtkampf öffentlich zu einer “inneren Angelegenheit” des Iran; hinter den Kulissen rieten seine Berater derweilen dem Schah, er solle die Oppositionsbewegung in einem Blutbad ersäufen. Der entschied sich anders und floh aus dem Land. Herman fasst zusammen: “The ironies were cruel. One was that a President publicly committed to supporting human rights and ending support for dictators had wound up urging a dictator to shoot his own citizens in the streets. Another was that the United States had lost its ‘island of stability’ in the Middle East—and lost it, moreover, to Khomeini”.

Heute erleben wir im Iran ein Regime, das gerade dabei ist, auch noch den letzten Rest vermeintlicher Legitimität in der eigenen Bevölkerung zu verlieren. Nun ist es nicht so, dass die Obama-Administration die Mullahs ausdrücklich dazu auffordert, ein Blutbad an der Opposition zu veranstalten, aber die Message, die Obama und seine Außenministerin mit ihren öffentlichen Stellungnahmen aussenden, läuft genau darauf hinaus. Barry Rubin trifft wieder einmal den Nagel auf den Kopf: Das Signal aus Washington lautet: “Don’t worry. No matter how much you repress your people, no matter how many you murder, no matter how extreme you get, the door is still open. We are not, and will not, define you as an enemy. Indeed, since we can’t negotiate with you until you solve your internal unrest, hurry up and destroy the opposition demonstrations so you can take advantage of our offer. This is not the administration’s intent, of course, but in effect that’s what it is offering, an incentive for restoring ‘order’ faster.”

Anders als 1978 ist nicht davon auszugehen, dass die Machthaber in Teheran und ihre mörderischen Handlanger diese Einladung ablehnen werden. Hatte Carters mangelnde öffentliche Unterstützung des Schah in der kritischen Phase dazu geführt, dass dessen Regime zusammenbrach, so leistet die mangelnde Unterstützung der Opposition im Iran durch Obama einen Beitrag dazu, die aus Khamenei und Achmadinejad sowie den Pasdaran und den Bassidschi bestehenden Banden an der Macht zu halten. Vielleicht sollte Obama, der es nicht erwarten kann, mit den Totengräbern der Demokratie im Iran in Verhandlungen zu treten, einen Schritt weiter gehen, konsequent dem Beispiel seines Vorgängers folgen und direkt nach Teheran fliegen. Immerhin, ein Jahr nach Jimmy Carters Iranreise war das Schah-Regime Geschichte. Wenn nun ein Besuch Obamas den gleichen Effekt hätte…

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