“Mit ihnen oder mit uns?”

Im Standard schreibt Gudrun Harrer über die iranische Opposition, die den gestrigen Jahrestag der Besetzung der amerikanischen Botschaft im Jahre 1979 genutzt hat, um die zu diesem Datum üblichen antiamerikanischen Aufmärsche in Protestmärsche gegen die Mullahs und ihre Handlanger umzufunktionieren. Anstatt “Tod Amerika” zu brüllen, war diesmal “Tod dem Diktator” zu hören. Was Harrer verschweigt, obwohl es im beigefügten Video deutlich zu hören ist, ist eine andere der skandierten Parolen: “Obama, Obama, entweder bis Du mit ihnen oder mit uns!” Die New York Times erklärt, was damit gemeint ist: Die Demonstranten zeigten ihre “impatience with President Obama’s policy of dialogue with the Iranian government.”

Der angesprochene Präsident ließ seinerseits eine Presseerklärung über den Jahrestag der Botschaftsbesetzung veröffentlichen, die bezüglich der Frage, auf welcher Seite er steht, kaum Unklarheiten aufkommen lässt. “This event helped set the United States and Iran on a path of sustained suspicion, mistrust and confrontation.” Mittlerweile dürfte jeder wissen, wie ein typisches Obama-Statement weitergeht: Wahlweise ruft er dazu auf, “ein neues Kapitel aufzuschlagen” oder bestehende Konflikte zu beseitigen, indem man einen virtuellen “Reset-Knopf” drückt. Im konkreten Fall bemühte er die folgenden Worte, die man, übersieht man einmal den grässlichen Jargon, sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen muss: “I have made it clear that the United States of America wants to move beyond this past, and seeks a relationship with the Islamic Republic of Iran based on mutual interests and mutual respect.”

Während die Demonstranten in Teheran von den Schergen des Regimes verprügelt, verschleppt, gefoltert und ermordet werden, säuselt Obama von “gegenseitigen Interessen” und “gegenseitigem Respekt”, und bezeichnet als amerikanischen Ansprechpartner nicht etwa den Iran im allgemeinen oder die iranische Bevölkerung, nein, er wendet sich explizit an jene “Islamische Republik”, die der eigenen Bevölkerung gerade nach allen Regeln der Kunst die Knochen brechen lässt. Sollte die iranische Opposition also noch Hoffnung haben, dass die letzte verbliebene Supermacht sich doch noch auf ihre Seite stellen wird? Vielleicht hilft der nächste Satz aus Obamas Erklärung weiter: “We do not interfere in Iran’s internal affairs.” Soviel dazu.

Und weiter geht’s in der Traumwelt von engagement und tough diplomacy: “We have condemmed terrorist acts against Iran.” Raten Sie einmal, was in Obamas Statement nicht erwähnt, ganz geschweige denn verurteilt wird? Richtig, es ist der Terrorismus, der vom Iran tagtäglich ausgeübt und der von ihm tatkräftig unterstützt wird – darüber verliert der Präsident nicht ein Wort.

“We have recognized Iran’s international right to peaceful nuclear power.” Ja, das hat er, und diese Verantwortung wird ihm auch niemand abnehmen können, wenn am Ende der “friedlichen Nutzung der Atomenergie” durch den Iran die Bombe steht. “We have demonstrated our willingness to take confidence-building steps along with others in the international community.” Was wohl die Opposition im Iran von derartigen “vertrauensbildenden Schritten” gegenüber Ahmadinejad und Konsorten hält?

Was noch fehlt, ist der pathetische Abschluss: “Iran must choose. We have heard for thirty years what the Iranian government is against; the question, now, is what kind of future it is for.” Wenn Obama der iranischen Führung wirklich seit dreißig Jahren zugehört hätte, und zudem auch in der Lage wäre, das Gehörte zu verstehen und Schlüsse daraus zu ziehen, dann wüsste er genau, wie die Mullahs sich die Zukunft vorstellen. “It is time for the Iranian government to decide whether it wants to focus on the past, or whether it will make the choices that will open the door to greater opportunity, prosperity, and justice for its people.” Geschätzte 97 Mal haben wir Derartiges in den letzten Monaten bereits aus dem Munde Obamas vernommen, mindestens ebenso oft haben die iranischen Machthaber auf recht unzweideutige Weise klargestellt, was sie von der Sache halten.

Das zuzugeben würde aber das Eingeständnis erzwingen, dass der ganze diplomatische Prozess, das schöne Verhandeln und der “neue Geist” in der internationalen Politik, für den es als kleines Zuckerl gleich noch den Friedensnobelpreis gegeben hat, dass es sich bei all dem also um Totgeburten handelt, die einzig dem Iran Zeit verschaffen, weiter an der Bombe zu basteln. Das freilich kann man von Obama nicht erwarten. Erstens müsste er, der nicht gerade mit geringem Selbstvertrauen ausgestattete “Ausnahmepolitiker”, dann auch zugeben, dass er einen gefährlichen Fehler begangen hat, den es jetzt dringend zu korrigieren gilt. Und zweitens käme das einer Erkenntnis gleich, die das gesamte ideologische Gebäude Obamas auf außenpolitischem Gebiet zum Einsturz bringen würde: Welch grausamer Realität müsste er sich als politisch Verantwortlicher stellen, wenn sich plötzlich herausstellt, dass die USA auf der Welt tatsächlich Feinde haben, mit denen “Dialog” nichts bringt, denen “gegenseitigen Respekt” zu versprechen in erster Line eine moralische Selbstaufgabe bedeutet und mit denen es keine “gemeinsame Interessen” gibt? Was, wenn es sich dabei nicht, wie von Obama stets gepredigt, um bloße Einbildungen von George W. Bush und einigen neo-konservativen Falken handelt, um Relikte aus einer dunklen Vergangenheit, die vor fast einem Jahr glücklicherweise zu Ende gegangen ist?

“Obama, Obama, entweder bist Du mit ihnen oder mit uns”, rufen die Demonstranten in Teheran. Wie es scheint, hat Obama seine Entscheidung bereits getroffen. Ich fürchte, sie wird die Freiheitsbewegung im Iran nicht freuen.

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