Eine Expertin analysiert

“Ich kann immer gerade nur die Verantwortung dafür übernehmen, was ich schreibe, dass ich es im Moment nach bestem Wissen und Gewissen mache… ” (Gudrun Harrer im Interview mit den Islamisten von Muslim-Markt) Nehmen wir, for the sake of the argument, Frau Harrer ernst und machen wir die Probe aufs Exempel. Im Standard kommentiert die Leiterin des Außenpolitikressorts die beiden Iran-Konferenzen, die dieses Wochenende in Berlin und Wien stattgefunden haben.

Zu Beginn gibt sich Harrer verständnisvoll. “Die Sorge wegen des iranischen Atomprogramms ist legitim, und dass sie in Israel stärker ist als anderswo, mehr als logisch”. So sei es nicht verwunderlich, dass sich besorgte Personen, unter ihnen einige Prominente, der überparteilichen Plattform “Stop the bomb!” angeschlossen hätten. “Wer könnte anders, als dafür sein, so eine iranische Bombe zu verhindern – die von den Veranstaltern der Iran-Konferenz in Wien am Wochenende, anders als von Experten, bereits als Tatsache gehandelt wird.” Ein wunderbarer Satz. Gehen wir es der Reihe nach an.

Einerseits wäre es tatsächlich ein seltsames Unterfangen, eine iranische Bombe verhindern zu wollen, die bereits als Tatsache gehandelt wird. Denn Tatsachen haben die unangenehme Eigenschaft, schlechterdings nicht mehr verhinderbar zu sein. Die Veranstalter behaupten natürlich keineswegs, dass der Iran bereits über die Bombe verfügt, sehr wohl aber, dass er in absehbarer Zeit über eine verfügen wird, wenn jetzt nicht ernsthafte Schritte dagegen unternommen werden. Hätte Harrer sich die Zeit genommen, auch nur einer der vielen Podiusmdisskusionen beizuwohnen, anstatt über Veranstaltungen zu schreiben, die sie selbst nicht einmal besucht hat, vielleicht wäre das Missverständnis zu vermeiden gewesen.

Andererseits meint Harrer möglicherweise etwas, das sie bloß nicht auszudrücken vermag, dass nämlich die Veranstalter nicht daran zweifeln, dass der Iran im Begriff ist, eine Bombe zu bauen, was “von Experten” – nota bene: nicht von einigen oder manchen Experten – allerdings bezweifelt würde. Damit würde suggeriert, dass die Veranstalter bloß Laien wären, die keine Ahnung haben, wovon sie eigentlich sprechen. In Wien und Berlin haben nun freilich zahlreiche Referenten die Befürchtungen der Veranstalter geteilt, Menschen, die für Harrer somit vermutlich nicht als Experten zu gelten haben. Seltsamerweise befand sich darunter auch der israelische Journalist Yossi Melman, den der Standard nur wenige Tage zuvor als “Atomexperten” interviewt hatte. (Abgesehen davon ist jeder eingeladen, einen Blick auf die Liste der Referenten und Referentinnen zu werfen und selbst zu urteilen.)

Harrer bezweifelt aber nicht nur, dass der Iran an der Entwicklung der Bombe arbeitet, sie bestreitet auch, dass er ein antiisraelisches “Vernichtungsprogramm” verfolgt. “Wer steht da schon auf und fragt: ‘Gibt es das überhaupt?’ Der Irak ist ja auch schon wieder fünf Jahre her.” Ich fürchte, die Mullahs in Teheran werden über Harrers Skepsis empört sein: Da unternehmen sie alles in ihrer Macht stehende, um Israel zu bekämpfen (etwa über ihre Stellvertreter Hamas und Hisbollah), verkünden tagein tagaus, dass Israel von der Landkarte gestrichen werden müsse und sprechen vom Judenstaat als “dreckiger Mikrobe” und “krebsartigem Gewächs”, um sich sodann von einer Journalistin unterstellen lassen zu müssen, sie meinten all das nicht ernst. Und erneut macht die Sprache Frau Harrer einen Strich durch die Rechnung. Man kann sich schon vorstellen, was mit dem Hinweis, der “Irak ist ja auch schon wieder fünf Jahre her” gemeint sein soll, aber aus irgendeinem Grund ist sie partout nicht in der Lage, ihre Gedanken in auch nur halbwegs korrekte und klare Sätze zu fassen.

Wenn darüber hinaus fraglich ist, ob der Iran tatsächlich an der Bombe bastelt und Israel vernichten will, wieso ist es dann eigentlich “mehr als logisch”, dass Israel ob des iranischen Atomprogrammes besorgt ist, wie Harrer zu Beginn ihres Kommentars noch pflichtschuldig festgestellt hatte?

“Wenn die gleiche Konferenz quasi als Roadshow an zwei Orten … hintereinander veranstaltet wird, dann liegt der Schluss nahe, dass nicht, wie bei Konferenzen üblich, Meinungsaustausch und -findung das Ziel sind, sondern allein die Überzeugung des Publikums.” Die Veranstalter haben sich die Mühe gemacht, Referenten und Referentinnen aus dem Iran, aus Israel, aus den USA und aus Europa einzuladen. Ist es da nicht naheliegend und organisatorisch sinnvoll, gleich mehrere Veranstaltungen zu koordinieren und so dem Publikum in Berlin und in Wien die Möglichkeit zu geben, den Referaten zu folgen? Sonderlich neu scheint mir der Gedanke jedenfalls nicht zu sein, schließlich beruht jede Vortrags- und Lesereise darauf. Auch kann ich keinen Skandal darin erkennen, dass Vortragende versuchen, ihre Mitdiskutanten und das Publikum zu überzeugen. Man mag das für eine altmodische Einstellung halten, aber ich dachte immer, genau das sei Sinn und Zweck von Diskussionen, sofern es sich nicht um völlig belangloses intellektuelles Geplänkel handeln soll.

Der Abschluss von Harrers Kommentar ist eine besondere Leistung, deshalb sei mir an dieser Stelle ein längeres Zitat gestattet. Es sei wichtig, ja sogar eine Pflicht, gegen Antisemitismus zu kämpfen. “Personen für ihre kritischen Meinungen als Feinde Israels zu denunzieren (als ‘antizionistisch’, was ganz bewusst in einem Atemzug mit antisemitisch genannt wird) … : Unterstützen das die Unterstützer der Konferenz ebenfalls? Das ist etwa Gerhard Mangott passiert, einem renommierten Politikwissenschaftler in Innsbruck. Wie steht die Universität Wien, der Veranstaltungsort, dazu?” Harrer bleibt jeden Beleg dafür schuldig, dass Mangott als Feind Israels oder gar Antisemit “denunziert” worden sei, was nicht weiter verwundert, weil das meines Wissens niemand getan hat.

Doch es ist mittlerweile zu einer Art intellektuellen Mode geworden, sich selbst oder andere Menschen als Opfer angeblicher Antisemitismusvorwürfe zu stilisieren. Harrer etwa sieht sich, die “Überbringerin der Botschaft”, bereits präventiv als Opfer von Denunziationen, wie ihre Einleitung zu einem unlängst erschienen Interview deutlich macht.  Warum freilich die Universität Wien sich dazu äußern sollte, dass niemand einen Innsbrucker Politologen als Antisemiten bezeichnet hat, wird wohl Harrers Geheimnis bleiben.

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